Mehr als 3.000 Winzer und 160 Prosecco-Produzenten lassen in den Voralpenhügeln zwischen Valdobbiadene und Conegliano die Uhren anders ticken: Es ist das legendäre Anbaugebiet des „echten“ italienischen Prosecco. Man isst hier gut, schläft ruhig und erholt sich bestens!
Fast meditativ mutet die sanfte, grüne Hügellandschaft an und inspiriert durch kreative Energie, mit der sich die hiesigen Proseccobauern für den Erhalt ihrer kulturellen Traditionen einsetzen. Wir sind unterwegs auf der „Strada del Prosecco“, auf der ersten Weinstraße der Geschichte Italiens. Hier findet man ideale Voraussetzungen für einen erholsamen Kurzurlaub. Je nach Lust und Laune können Kultur, Sport und Entspannung prima kombiniert werden.
Die Prosecco-Straße bietet viele abwechslungsreiche Routen für Motorradtouren, Nordic Walking oder Trekking, auf denen man abschalten und den Duft von 300 Jahre alter (Wein-)Tradition atmen kann. Die durch den Traubenanbau geprägte Landschaft verzaubert dabei mit ihren mittelalterlichen Gemäuern und den Spuren der religiösen Kultur. Man munkelt, schon bald könnten die Prosecco-Hügel zum UNESCO-Welterbe zählen.
Auf den feinen Unterschied kommt es eben an. Reichlich Sonne, wenig Regen und fruchtbare Böden aus Sand, Ton und Kalk sind das uralte Geheimrezept für den berühmten Perlwein.
Ansonsten scheint es ein bisschen, als ob im „Garten Venedigs“ die Zeit stehen geblieben wäre, so zahlreich sind die Burgen, Kirchen und adligen Villen auf der malerischen Strecke der Proseccostraße. Und allesamt spannende Ausflugsziele für Entdeckungstouren. Oder Orte zum Innehalten, wie auf einem Fresco an der Außenwand der Kirche San Pietro di Feletto dargestellt.
Das Bild des „Sonntagschristus“ aus dem 14. Jahrhunder zeigt alle Tätigkeiten, die am Sonntag verboten waren und durch dessen Ausführung man Jesu die Leiden der Kreuzigung erneut angetan hätte. Manchmal denkt man, würde das Innehalten auch uns im hektischen Alltag gut tun. Man müsste dieses Bild vielleicht auch in deutschen Büros mit Wochenendschichten aufhängen.
Romantische Weindörfer entdecken
Die Ruhe und Gelassenheit des Prosecco DOCG-Gebiets heißt jedoch nicht, dass man rostet. Am flexibelsten bewegt man sich entlang der Weindörfer mit dem (Miet-)Auto, den mitgenommenen Fahrrädern und bequemen (Wander-)Schuhen. Die unterschiedlich schweren Rad- und Lauf-Routen sind hervorragend ausgeschildert und es herrscht erholsam wenig Verkehr. Die Fremdenverkehrsämter der Gegend bieten fundierte Informationen sowie Angebote rund um einen aktiven Urlaub.
Sie haben – zum Teil mit GPS-Koordinaten erhältliche – Themenrouten ausgearbeitet, die wichtige Aspekte der Kulinarik, der Geschichte und Kultur des Gebiets erläutern. So zum Beispiel das überaus sehenswerte Benediktinerkloster aus dem 14. Jahrhundert in Follina oder die in den Felsen liegende alte Wassermühle „Molinetto della Croda“ bei Refrontolo. Noch heute ist sie in Funktion und der Slow Food-Bewegung als Eventlocation angeschlossen.
Ein guter Ausgangspunkt für Kunst- und Kulturtouren im Prosecco-Ursprungsgebiet ist das Hotel Canon d’Oro in Conegliano. Während einer Stadtbesichtigung wandelt man auf den Spuren ehemaliger Mönche oder des Malers Cima de Conegliano – einer der wenigen Auftragsmaler seiner Zeit, der Bilder nicht nur für die Kirche, sondern auch für Privatleute malte. Und dessen Gemälde leider bis auf ein Originalwerk im Dom in aller Herren Länder verstreut sind. Beeindruckend sind vor allem Vergleiche der Cima-Bilder aus dem 15. Jahrhundert mit heutigen Fotos.
Sie belegen, wie wenig sich die Landschaft – dem Weinanbau sei Dank – hier in den letzten 500 Jahren veränderte. Auch außerhalb des Museums ist „Cima da Conegliano“ allgegenwärtig. Sein Geburtshaus liegt nur wenige Schritte entfernt hinter dem Piazza Cima, an dem zahlreiche kleine Straßenbistros zum Verweilen einladen. Während die japanischen Touristengruppen in Venedig ihr Geld ausgeben, kann man sich hier an vielen kleinen Anekdoten und kulinarischen Schätzen erfreuen, die Land und Leute zu bieten haben.
Allerorts erwartet einem köstliche Kultur
Wer ohne einen Kulturtrip direkt zum „dolce vita“ übergehen will, sollte sich einen Besuch in einer der zahlreichen „Osterias“ gönnen, urtümliche Gaststätten, in denen man hauptsächlich Wein und kleine lokale Köstlichkeiten serviert. Die „Osteria senz’ Oste“ zum Beispiel ist aus mehreren Gründen einen Besuch wert. Zum einen liegt sie in Valdobbiadene in einem uralten Steinhaus idyllisch mit Blick auf den Cartizzehügel gelegen – das teuerste Anbaugebiet der Region.
Das besondere Mikroklima und die sonnige, ideale Hügellage östlich von Valdobbiadene lässt die hochwertigsten Trauben Italiens besonders gut gedeihen; und den Hektar Weinberg eine Million Euro kosten. Zum anderen hat diese Osteria weder einen Wirt, noch festgelegte Preise (senz Oste = ohne Wirt). Der Gast bedient sich einfach aus den Kühlschränken und wirft einen freiwilligen Obulus in eine kleine Holzkasse. Mit Sopressa-Salami, Käse, Weißbrot und einem Gläschen Prosecco Superior kann man von einer Terrasse aus den großartigen Panoramablick auf die edlen Rebstöcke genießen, eine Postkarte schreiben und die müden Beine erholen.
Per Du mit dem Winzer
Gemütlich einkehren kann man auch bei Ca’Salina und Winzer Drusian – der den Superior-Prosecco Cartizze herstellt und gerne zur Degustation lädt. Die große Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Gastgeber gepaart mit zurückhaltendem Stolz machen ein „nein“ zum edlen Getränk allerdings fast unmöglich. Selten bekommt man Cartizze in Deutschland zu trinken, zu klein ist die Produktionsmenge für den Export. Insofern ist das angebotene, fruchtig-ausgewogene Getränk des Winzers ein wahrer, seltener Genuss.
Ganz gleich, bei welchem Winzer man an die Tür klopft, zur Verkostung nimmt man sich hier Zeit und heißt den Gast jederzeit willkommen. Kaum zu glauben, dass diese beschauliche Region beinahe den gesamten Prosecco-Bedarf der Welt deckt. Rund 13.000 Flaschen sind es täglich allein bei Weinbauer Francesco Drusian, wenn die Produktion in vollem Gange ist. Wenn es um den Schutz der Ernte geht, werden hier auch mal „größere Geschütze“ aufgefahren. Dem aufmerksamen Besucher entgeht keinesfalls die riesige Kanone, die mitten im Weinfeld in den Himmel ragt.
„Das ist unsere Gewitter-Kanone“, erklärt der Wein-Experte den künstlich erzeugten Donnerknall in der Luft, der plötzlich die mit Cartizze gefüllten Gläser auf dem Tisch erzittern läßt. „Unwetter mit Hagel, Sturm und Platzregen können innerhalb weniger Minuten die Ernte eines ganzen Jahrgangs gefährden“. Mit der Kanone läßt Drusian ein Gas-Gemisch in die Luft schießen, das die Gewitterwolken verwirbelt und vertreibt. Ob Aberglaube oder Klima-Expertise, tatsächlich verzieht sich das Gewitter bald darauf und macht erneut Platz für herrlich mediterranen Sonnenschein, der ein nächstes Wiedersehen im Raum Treviso sicher macht.
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