Tönnsen allein im Abteil

Dem Unwetter ist es egal, welchen Ast es auf welchen Streckenabschnitt der Deutschen Bundesbahn trägt. Nun hat es Tönnsen getroffen, der im bayerischen Raubling die Nacht bewacht. Im EC von Innsbruck nach München - allein im Abteil.

Wären nicht die beiden spielenden Kinder, die alle 20 Minuten vor dem Abteil entlang laufen. Tönnsen käme die Nacht unheimlich vor. Der EC 82, der am frühen Morgen in Bologna gestartet ist, steht nun seit Stunden im bayerischen Raubling. Die verbleibenden knapp 100 Kilometer bis nach München sind in dieser Nacht nicht mehr möglich: „… die Nachricht wird Sie nicht erfreuen“, meldet der Schaffner sich über die Zugsprechanlage zu Wort. Die Strecke vor uns ist unpassierbar. „.. Baumstämme … Gleis .. unbefahrbar“, sind die Worte, die hängen bleiben. Eine Weiterfahrt ist erst in den frühen Morgenstunden möglich.

Ein Schienersatzverkehr mit Bussen oder per Taxi dauert. Zu viele Reisende sind auf dieser Strecke gestrandet. Vermutlich Bayernweit. Das Unwetter an diesem Freitag im August hat es allen wieder gezeigt. Ein starker Wind, viel Regen und schon scheitert die Mobilität. Wie die Situation auf den Straßen ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Informationen sind nicht verfügbar. Zwei Zugreisende, die mit dem Rad reisten, haben sich bereits vor Stunden auf dem Weg gemacht. Richtung Rosenheim, haben sie mir erzählt, als sie losfuhren.

Der EuroCity der ÖBB schafft es in einer Stunde und 46 Minuten von Innsbruck nach München. Die dafür anfallenden Kosten für eine Fahrt mit der Bahncard 50 betragen knapp 23 Euro. Warum also sollte ich mit dem Auto fahren. Die Zeit nutze ich zum Arbeiten, vermeide unnötig CO2 und Stickoxide, die beim Autofahren unweigerlich entstehen, und kann während der Fahrt ein Käsebrötchen essen und dazu einen Kaffee trinken. An ein Frühstück allerdings habe ich nicht gedacht. Auch nicht an eine Decke, geschweige denn an ein Kissen. Es geht aber auch so.

Null Uhr 45

Die Sitze des alten Waggons sind noch nach alter Bauweise. Bequem, breit und wenn die Armlehnen hochgeklappt werden, lässt es sich dort ausgestreckt schlafen. Die Beleuchtung hat die Bahn mittlerweile auf Halbmast gedreht. Das Surren der Klimananlage beruhigt. Und auch die beiden Kinder sind mittlerweile eingeschlafen. Nur vereinzelt schleicht jemand am Abteil vor. Tönnsen versucht zu schlafen.

Zwei Uhr 22

Die Luft im Abteil atmet sich schwer. Zeit zum Lüften. Draußen im leichten Nieselregen stehen zwei, die sich an der frischen Luft eine Zigarette gönnen. Eine Familie läuft vorbei. Der Bahnhof von Raubling wirkt um diese Zeit noch verlassener. Mir wird kalt, gehe rein. Genug gelüftet.

Zwei Uhr 51

Verdammt. Verdammt ungemütlich, auf diesen Sitzen zu schlafen.

Vier Uhr 12

Habe wohl nur geträumt. Ein Pfeifen hat mich geweckt. Dachte es geht weiter. Dreh mich um.

Vier Uhr 35

Warum rettet uns hier niemand? Das Unwetter muss ja enorme Schäden angerichtet haben. Wie lange müssen wir an diesem Ort in diesem Zug noch verbringen? Denke kurz an Weihnachten. Habe meine WInterjacke nicht dabei. Mist!

Vier Uhr 51

Muss mir die Beine vertreten. Draußen zieht verzweifelt eine junge Dame an ihrer Zigarette. „Wird wohl zu Tumulten kommen. Im ganzen Zug keine Zigaretten mehr. Habe grad die letzte geschnorrt“. Ich nicke Zustimmung, gehe auf-und-ab.

Fünf Uhr 14

Hole mir meine Zuteilung an Kaffee (kleiner Becher) und einer Bretzel ab. Frage, wie es nun weiter geht. Achselzucken.

Sechs Uhr 03

Mein Fehler. Spreche das Zugpersonal darauf an, wann denn der Schienenersatzverkehr nun kommt. Antwort verärgert mich. „Wie lange sollen wir hier denn noch warten“. „Bis halt der Schienenersatzverkehr kommt„. Ich hab verstanden. Trau mich dennoch zu fragen, warum denn keine Hotelgutscheine ausgeteilt wurden? Großer Fehler, drei Zugbegleiter antworten. „Sie hätten ja gehen können.“  äh Wohin denn? Dann ein letztes lautes Wort von einer Frau Walter, Zugbegleiterin: „Verkehrsleitung München hats verboten, die auszugeben!!!

Sechs Uhr 12

Es regnet draußen.Fühle mich einsam im Abteil


Seit Ende 2009 gilt die Verordnung EG 1371/2007 der Europäischen Union. Sie regelt die Rechte für Fahrgäste bei Verspätung und Zugausfall.

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