Der Korse Olivier könnte den Esel auch zur Tränke tragen. Der Chef einer kleinen Herde störrischer Huftiere in der Santa-Reparata-di-Balagna im Süden Korsikas war einst Profi der korsischen Rugbyliga. Sehr erfolgreich wie er mir erklärt und demonstriert. Das ist zwar schon eine Weile her, doch die Kraft scheint dem Mitfünfziger auf alle Ewigkeit erhalten zu bleiben. Ich tippe auf die Mengen an frischer Eselsmilch, die er täglich trinkt. Ich probiere auch ein kleines Glas der Milch, die süßlicher als Kuhmilch, dafür aber erfrischend leicht schmeckt. Und die auch für deutsche Verhältnisse ein Vermögen kostet.
Wäre die Eselmilch nicht milchig weiß und derart vergänglich als das sie nach nur einem Tag verderben wird, wäre sie mit knapp 45 Euro pro Liter das Gold der Korsen. Noch aber geben die wenigen Eseldamen, die dreimal täglich per Hand gemolken werden, nicht genügend Ertrag. Die Menge an erlesener Milch ist nämlich weit geringer als würde eine Kuh oder selbst eine Ziege gemolken werden. Doch Olivier Fondacci und seine Frau Jeanick können auf dem wildparkähnlichen Gelände gut leben. Ebenso die wenigen Angestellten, die auf dem landwirtschaftlichen Betrieb oberhalb der Hafenstadt L`ll-Rousse arbeiten. Olivier ist durchaus geschäftstüchtig.
Weil er mit kleineren Transportfahrten, die er mit einem Esel, den er vor einen Karre spannt, früh am Morgen erledigt, sein Einkommen aufbessert, ist das Leben oben in den Bergen nicht ganz so beschwerlich wie es einen Festlandeuropäer vorkommen könnte. Herausfordernd hingegen ist das Reiten auf den Tieren. So beginnt auch für uns das Abenteuer auf dem Rücken eines Esels, der den Stolz eines Korsen ebenso in seinen Genen trägt wie das Störrische seiner Rasse. Andere Erkennen in dem Tier ein Wesen mit bemerkenswerter Gelassenheit und Anspruchslosigkeit. Für Kinder, vor allem für jene in der Pubertät, sind es also optimale Begleiter.
So schaukeln wir gemächlich, mal im Trab entlang abseits jeder Zivilisation gelegener Hirtenpfade, vorbei an den schönsten Dörfern der Balange. Der Tag vergeht, ein kühler Wind zieht auf und erfrischt. Die Pausen sind zahlreich und erlauben, die Vegetation der zum großen Teil aus einem Hochgebirge bestehenden Insel im Mittelmeer zu genießen. Mit jeder Etappe weicht der Mühsal der vergangenen Tage. Die Kinder freuen sich auch und schweigen nahezu die ganze Tour über. Nur manchmal, weil die Natur es mit dem Esel so gewollt hat, ist ein lautes „Hühhh“ nötig, um voranzukommen. Wenige Mail aber müssen wir absteigen und den störrischen Begleiter an der Leine führen. Eine willkommene Abwechslung, sich die Beine zu vertreten. Die Stille wird nur vom Wind durchbrochen und dem Glockenschlag, der aus der Ferne herüber schallt. In Flambeaux beginnt in wenigen Augenblicken die Prozession und ich denke an Mutter Maria, die auf einem Esel ihre Flucht nach Ägypten antrat.
Die Gebirgsgegend der Balagne genügt uns an diesem Tag. Den Abend wollen wir in Ile Rousse verbringen, einer eigenwilligen, kleinen Hafenstadt in der Balagne, die im Übrigen zu den wärmsten Orten der Insel zählt. So schützt ein kleines Gebirge den Ort vor den kalten Mistralwinden aus dem Norden und die vorgelagerte, bei Sonnenuntergang leuchtend rot schimmernde Insel sichert ihn von der Meerseite her. Dass dort auch einer der schönsten Strände der Insel liegt, erfahren wir während unserer Eselwanderung. Auch den Tipp, dass sogar am Sonntag die Markthalle Gelegenheit bietet, regionale Köstlichkeiten einzukaufen, bekamen wir in den Bergen zugerufen.
Eingedeckt mit Schinken vom Wildschwein und Ziegenkäse in seiner feinsten Art gehen wir die wenigen Meter zum Strand, setzen uns in ein abgelegenes Café und genießen die verbleibenden Stunden bis zur Abfahrt. Die Schiffe der Corsica Ferries laufen bereits im Hafen vor uns ein. Da wir allerdings von Bastia aus zum italienischen Festland übersetzen, werden wir noch knapp 70 Kilometer entlang der Küste Korsikas fahren. Die Straßen sind gut ausgebaut und bieten an vielen Stellen eine fantastische Aussicht auf das Mittelmeer. Natürlich ist auch die Fahrt mit dem Bus für etwa 16 Euro in knapp einer Stunde und 40 Minuten möglich. Die bessere Alternative aber ist die Bahn. Die dauert zwar knapp zweieinhalb Stunden und kostet rund 18 Euro. Dafür lässt sich bei einem Kaffee entspannt die Landschaft bewundern.
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Diese Reise wurde uns durch die Handelskammer chambre de commerce et d’industrie de bastia et de la haute-corse und Corsica Ferries ermöglicht. Der Reisebericht ist dabei gemäß unseren ethischen Redaktionsrichtlinien erstellt worden.
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