Runter vom Gas: Wenn der Koffer zum Geschoß wird

Im Zentrum stehen Helfer, die bei Verkehrsunfällen vor Ort sind und ihr Bestes geben, um Menschenleben zu retten. Die großformatigen Plakate zeigen je eines von drei Motiven: einen Feuerwehrmann, einen Rettungssanitäter und eine Ärztin. Ihre Botschaften: „Schnall dich immer an!“, „Fahr immer nüchtern!“ und „Lass die Finger vom Handy!“.

Weil niemand authentischer vor den Gefahren leichtsinnigen Verhaltens im Straßenverkehr warnen kann als diejenigen, die tagtäglich mit den dramatischen Folgen konfrontiert werden, haben wir mit Dr. Insa Matthes, Chirurgin im Unfallkrankenhaus Berlin, über die fatalen Folgen eines Unfalls gesprochen. Sie ist eine der Protagonistin der neuen Plakatstaffel "Lebensretter", der bundesweiten Kampagne „Runter vom Gas“.

Frau Dr Matthes, in schnellen Autos fühlt Frau/Mann sich sicher, und gibt oftmals zu viel Gas. Zwar schützen moderne Rückhaltesysteme selbst bei hohen Geschwindigkeiten. Dennoch ist die Chance einen Frontalaufprall zu überleben gering. Die hohe Verzögerung fordert ihren Tribut. Ab welcher Geschwindigkeit ist in der Regel jeder Unfall tödlich?

Dr. Insa Matthes: Das kann man so pauschal nicht sagen. Viele Faktoren beeinflussen die Schwere eines Unfalls. Fakt ist jedoch: Unangepasste Geschwindigkeit ist nach wie vor die Hauptursache für Verkehrsunfälle mit Todesfolge. Unabhängig von der Technik oder dem Auto rate ich jedem, die Geschwindigkeitsvorgaben einzuhalten und konzentriert Auto zu fahren. Dann stellen sich solche Fragen gar nicht erst.

Im Urlaub muss alles mit, was ins Fahrzeug passt. So stapeln sich auf der hinteren Ablage alle möglichen Gegenstände. Doch wie groß ist die Gefahr, schon beim kräftigen Bremsen durch nach vorn fliegende Gegenstände verletzt zu werden?

Ich bin selbst Mutter und weiß, wie vollgepackt man als Familie in den Urlaub aufbricht. Das ist alles kein Problem, solange das Gepäck mit Spanngurten und Trenngittern gesichert ist. Schwere Gegenstände sollten in den Fußraum oder ganz nach unten verstaut werden. Denn schon die kleinste Tasche kann beim plötzlichen Bremsen zum gefährlichen Geschoss werden. Die Folgen sind meist schwere Verletzungen an Halswirbeln und Kopf. Dann ist der Urlaub schon zu Ende, bevor er überhaupt angefangen hat.

Fußgängerschutzsysteme sind der neuste Schrei der Automobilhersteller. Haben Sie Erfahrung über die Wirksamkeit der Systeme? Was bemängeln Sie an daran?

Ich persönlich habe noch keine eigenen Erfahrungen mit den Fußgängerschutzsystemen gemacht. Was ich allerdings sagen kann ist, dass Fußgängerunfälle zu den schlimmsten Zusammenstößen auf unseren Straßen zählen. Es sollte meiner Meinung nach viel mehr dafür getan werden, dass solche Kollisionen gar nicht erst passieren. Viele solcher Unfälle sind einfach zu verhindern, wenn Verkehrsteilnehmer sich auf den Straßenverkehr konzentrieren und sich nicht ablenken.

Noch eine letzte Frage, die bei unseren LeserInnen für teils heftige Diskussionen sorgt. Wie erkenne ich, dass meine Großeltern/Eltern nicht mehr fahrtüchtig sind. Und wie kann ich Ihnen beibringen, ihren Führerschein abzugeben?

Ältere Menschen fahren nicht automatisch schlechter als jüngere. Die Hauptrisikogruppe im Straßenverkehr sind junge Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren. Diese verunglücken häufiger als alle anderen Altersgruppen. Dennoch sollten sich Senioren regelmäßig von ihrem Arzt auf ihre Fahrtüchtigkeit untersuchen lassen. Dazu zählen Hör -und Sehtests, um Gefahren im Straßenverkehr vermeiden zu können. Der Straßenverkehr erfordert von jedem Teilnehmer, egal ob jung oder alt, volle Konzentration.

Die Kampagne „Runter vom Gas“
Das Leben ist viel zu schön, um es leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Unter diesem Motto machen sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) für mehr Sicherheit auf deutschen Straßen stark. Der Grundgedanke: Mit einer emotionalen und positiven Ansprache soll „Runter vom Gas“ alle Verkehrsteilnehmer für die Gefahren im Straßenverkehr sensibilisieren. Gestartet im Jahr 2008, thematisiert die Kampagne seit 2011 neben unangepasster Geschwindigkeit eine Vielzahl von Ursachen schwerer Unfälle wie Alkohol am Steuer, Ablenkung, gefährliches Überholen und dichtes Auffahren.

Zudem wirbt „Runter vom Gas“ für das Anschnallen in Kraftfahrzeugen und das Tragen von Fahrradhelmen. Einen Schwerpunkt legt die Kampagne auf die Ansprache der besonders gefährdeten jungen Fahrer, die sich oft sehr riskant verhalten und gleichzeitig über wenig Fahrpraxis verfügen. Ebenfalls im Fokus steht das "Risiko Landstraße“ mit rund 60 Prozent aller tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer. www.runtervomgas.de.

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