Drive&Style hat sich die Welterbe-Bergstadt angeschaut und einen Ort vorgefunden, der sich mit seinen regionalen Besonderheiten identifiziert, durch Authentizität und Ursprünglichkeit auszeichnet und auch bei den Norwegern selbst ein beliebtes Urlaubsziel darstellt.
In Mittelnorwegen liegt die kleine Stadt Røros, gerade mal 5.700 Einwohner groß, rund 400 km nördlich von Oslo entfernt, ganz in der Nähe zur schwedischen Grenze ansässig. Es ist die einzige Bergstadt des Landes, die sich mit 630 Metern über dem Meeresspiegel sanft auf einer ansteigenden Hochebene erstreckt. Als Besonderheit zeichnet Røros aus, das sie eine der ältesten, noch erhaltenen und zugleich aktiv belebten Holzstädte Europas ist, datiert auf das Jahr 1644, als hier erste Kupfererze in der Umgebung gefunden wurden. Rasch entstand daraufhin das Kupferwerk von Røros und der Ort stieg in den nachfolgenden Jahrhunderten zur wichtigsten Bergbaustadt Norwegens auf.
Wer heute nach Røros reist, ist gleich mitten drin in der Geschichte des Bergbaus: 333 Jahre, bis in die späten 1970er Jahre, wurden hier Kupfererze gefördert. Es war übrigens ein deutscher Ingenieur, Lorentz Lossius (1589–1654) aus Sachsen, der die erste Grube in Røros gründete. Er kam zu einer Zeit, als an diesem Standort lediglich sechs bis sieben Familien lebten und sich von der Landwirtschaft ernährten. Bald entstand ein riesiger Industriezweig, zahlreiche weitere Gruben folgten im Umkreis von Røros, zusammen mit Schmelzhütten und Flößereien. Über die Jahrhunderte wurden in über 40 Minen rund um Røros gut 100.000 Tonnen Reinkupfer abgebaut und schufen die wirtschaftliche Basis der Region, wie aber auch einen einzigartigen Kulturraum. In diesem Zusammenhang wurde nicht nur die Stadt Røros 1980 in die Unesco-Weltkulturerbe-Liste aufgenommen, sondern die gesamte Umgebung mit ihrer prägenden Kulturlandschaft 2010 zum ausgewiesenen Unesco-Weltnaturerbe erklärt.
Wir sind unterwegs in der Kleinstadt. Es geht ruhig und beschaulich zu. Die ersten Sonnentage des Jahres laden Einwohner, wie auch Touristen ein, durch die Gassen von Røros zu bummeln. Die Bergbaustadt besteht aus mehreren hundert Holzhäusern, wobei die historische Altstadt aus dem 18. und 19. Jahrhundert unter Denkmalschutz steht.
Die zwei parallel zueinander verlaufenen Straßen Kjerkgata und Bergmannsgata bilden dabei den eigentlichen Stadtkern. Die Kjerkgata ist heute mit vielen, kleinen individuellen Läden versehenen und führt direkt auf die Kirche von Røros, mit ihrem gewaltigen, 50 Meter hohen Glockenturm zu, der, mit den Bergmannszeichen Meißel und Schlägel versehen, deutlich auf die geldreichen Stifter des über 1.600 Besucher fassenden Gotteshauses hinweist. Die Røros Kirche wurde in der Glanzzeit des Kupferbergwerkes zu „Gottes Ehre und zur Zierde der Bergbaustadt“ errichtet und im Jahre 1784 fertiggestellt. Sie thront geradezu majestätisch über den Holzhäusern und gehört zu den zehn markantesten Kirchen in Norwegen, aufgrund ihrer Größe zählt sie zugleich zu den größten Sakralbauten des Landes. Im vorletzten Sommer gaben u.a. hier die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Sir Simon Rattle ein Europakonzert.
Die langjährige Bergbautradition wird jedoch auch in der Bergmannsgata untermauert: In dieser Straße haben einst, in den bunten Holzhäusern, die wohlhabenden Industriellen gewohnt. Das Direktorenhaus des Røros Bergwerkes befand sich demonstrativ am Kopf der Straße gelegen.
Über die Bergmannsgata gelangen wir direkt zum Røros Museum Smelthytta. Das große Museumsgebäude wurde an der Stelle errichtet, an der sich einst die Schmelzhütte von Røros befand und die den Takt der gesamten Stadt vorgab. Die Ausstellung führt in die Geschichte des Bergbaus ein und zeigt Modelle von Gruben, Schmelzhütten und technischen Anlagen. Vor den Toren des Museums befindet sich zudem eine gewaltige Hügellandschaft aus Schlacke, einem klassischen Abfallprodukt, das bei der Kupferschmelze entsteht. Es lohnt sich, diesen Gipfel, den Slegghaugan, zu erklimmen, zeigt sich doch von hier oben ein schöner Panoramablick über die gesamte Bergbaustadt. Gleich angrenzend an dieses Areal finden wir eine der ältesten Gassen mit grasbewachsenen Hütten vor, die Sleggveien, die einst von den ärmsten der armen Bergbauarbeiter, wie Vagabunden und Tagelöhner, bewohnt worden ist. Hier sind die Holzhäuser in dunklen und sandigen Tönen gestrichen – im Vergleich zur bunten, gehobener wirkenden Bergmannsgata. Die unterschiedlichen Holzanstriche basieren alle auf einer Leinölbasis und beigemischten Erd- und Mineralpigmenten aus der Natur, die die Region vorgab, wie eben Kupfer- und Eisenoxide. Je nach Vorkommen der Pigmente und dem Aufwand in der Farbherstellung lassen sich auch die sozialen Unterschiede der ehemaligen Hausbewohner von Holzhaus zu Holzhaus bei einem Stadtrundgang ablesen.
Darüber hinaus hat die Sleggveien einen hohen Bekanntheitsgrad erworben, als hier eine Episode von Pippi Langstrumpf gedreht wurde. Seitdem ist die Gasse bei Touristen auch als die Pippistraße bekannt. In den Sommermonaten können auch die kleinen Hütten hier besichtigt werden. Sie werden inzwischen von Mitgliedern der Historischen Gesellshaft Røros betrieben. Wir schlendern den Berg schließlich weiter runter, passieren den Stadtteil Flanderborg mit weiteren, reizenden Holzhausfassaden und nostalgischem Charme und kehren dann ins Stadtzentrum zurück.
Wie modern sich das Leben der heutigen Einwohner von Røros gestaltet, zeigt sich nicht zuletzt an dem flächendeckenden, im Stadtraum installierten Frühwarnsystem zum Brandschutz. Jedes Haus hat mehrere Feuermelder und ein eingebautes Leitungssystem mit Sprinkleranalge, an dem die Feuerwehr eine direkte Wasserzufuhr anschließen kann. Der Kirchturm ist zudem mit sensiblen Wärmebildkameras ausgestattet und kann sekundenschnell Ortung und Meldung geben, falls irgendwo in der Stadt ein Brandherd entstanden ist. Eine technische Weiterentwicklung, die der rasanten Ausbreitung von Feuerquellen in der Holzstadt, wie zu früheren Zeiten, entgegen wirkt. Dieses sei nur ein Beispiel, mit wieviel Mühe die Einwohner von Røros ihr historisches Erbe erhalten und gleichzeitig einen modernen, zeitgemäßen Lebensstil führen.
Wer in diesem Sommer vom 25. Juli bis 28. Juli 2018 und vom 30. Juli bis 4. August 2018 nach Røros kommt, hat Gelegenheit das Musiktheaterstück Elden mitten im Unesco-Weltkulturerbe zu erleben. Die Geschichte basiert auf dem historischen Ereignis des Todesmarsch der Karoliner, der den verlustreichen Rückzug schwedischer Truppen nach der gescheiterten Invasion Norwegens durch den schwedischen König Karl XII. (der ebenso Herzog von Bremen und Verden war) beschreibt. Die dramatischen Tage des Heeres auf dem Feldzug von General Carl Gustaf Armfelt im Winter 1719, als mehr als 4.000 Männer ihr Leben verloren, wurden zum kriegskritischen Musical aufbereitet, das in historischer Umgebung auf dem Slegghaugan aufgeführt wird.
Tickets gibt es direkt auf den Seiten des Veranstalters (jedoch nur in der Sprache der Aufführungen: Norwegisch)
Weiterführende Informationen über die Bergbaustadt und Tipps zu Reiseplanung finden sich unter:
sowie weitere Aktivitäten, Ausgeh- und Shoppingmöglichkeiten und Unterkünfte unter:
Wer in Røros einkehren möchte, sei die Kaffestuggu empfohlen. Hier gibt es neben täglich frischen Backwaren auch eine große Auswahl an Bio-Produkten wie auch regional produzierte Waren, die sich auch in der Menügestaltung auf der Karte des Hauses widerspiegeln.
Ebenso empfohlen sei das Peder Hiort Mathus, ein Restaurant mit uriger Atmosphäre im Haus der früheren Direktoren des Bergwerkes in der Bergmannsgata. An den Wänden des Restaurants erzählen alte Handwerksgegenstände und Fotografien von der einstigen Bergwerkstadt. Es gibt sowohl internationale Speisen, wie auch eine knusprige Ofenpizza. Empfohlen sei jedoch das Rentier-Gericht, das nur 700m entfernt geschossen, an Rotweinsauce und mit Gemüse und Kartoffeln auf den Tisch kommt. Im Sommer kann auch gemütlich auf der Terrasse vor dem Haus im Freien gespeist werden.
Das Røros Hotell unweit des Zentrums überzeugt mit seiner ruhigen Lage im Grünen, einem opulenten Frühstücksbuffet, das kaum Wünsche offen lässt und auf regionale Produkte setzt. Alleine die salzige, nur hier hergestellte Butter, sei beispielhaft zu nennen, die es bis in mit Michelin-Sternen ausgezeichnete norwegische Restaurants geschafft hat. Zudem besitzt das Hotel ein wunderbares, in die Natur eingebettetes Schwimmbad (Indoor und Outdoor, auf 36°C beheizt), mit mehreren Saunen und Dampfbädern sowie Whirlpools.