Der Nordseewind streift mir durch das Haar, gibt der Frisur eine neue, aufgelockerte Form, einzelne Strähnchen verkleben von der Salzluft. Die Möwen kreischen, die Brandung erzeugt ein regelmäßiges Rauschen und ich stehe ganz oben auf dem Deich von Neuharlingersiel, strecke die Nase in Richtung des Windes, atme ganz tief durch und schaue auf das Wattenmeer, von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Die Insel Spiekeroog lässt grüßen. Die Silhouette der kleinen Gemeinde ist auch ohne Fernglas gut zu erkennen. Die Fähre, die direkt übersetzt, nimmt Kurs auf die Insel. Es ist Flut zur Zeit. Für 12.44 Uhr ist das Hochwasser vorausgesagt.
In einem kleinen Reiseführer von Neuharlingersiel aus dem Jahre 1912 heißt es beschaulich: „Mit Wogenbrausen und Windessausen begrüßt mich das Meer. Die grünen Wogen, Sie kommen gezogen, Ein reisiges Heer.“ Auch heute, 100 Jahre später, hat sich an dieser Szenerie nichts geändert. Die Nordsee beschreibt immer noch ihre eigene, raue Schönheit. Manchmal zeigt sie sich sanft und ruhig, dann wieder stürmisch. Gelegentlich wird die wilde Schöne unbändig. Doch heute davon keine Spur. Die Gischt spült langsam am Strand auf, der sich direkt hinter dem Deich erstreckt. Ein älteres Ehepaar hat sich auf einer Bank niedergelassen und scheint im Hin und Her des auflaufenden Wassers gebannt zu sein.
Vor rund einer Stunde bin ich angekommen in Neuharlingersiel, dem idyllischen kleinen alten Fischerdorf an der ostfriesischen Küste, und schon jetzt spüre ich, wie der Alltag langsam in weite Ferne rückt. Der Hafen mit seiner malerischen Kulisse begrüßt jeden Besucher als Erstes. Bereits 1693 wird der Ort erstmals urkundlich mit ein paar Häusern erwähnt. Hier an der Hafenpromenade spielt sich das Leben des kleinen Küstenortes ab. Die Fischer starten von hier aus direkt mit ihren Kuttern in See und bringen vor allem Krabben und Seefisch als Fang mit zurück. Einheimische und Touristen treffen sich in der Bäckerei und Konditorei von Johann Hinrichs oder an einer der kleinen Fischbuden am Hafen. Moin, heißt es schlicht zur Begrüßung. Abends macht man es sich bei einem friesisch, herben Pils in der Hafenkneipe Dattein gemütlich. Es ist eines der ältesten Häuser am Platz und mit viel Charme und ostfriesischer Gemütlichkeit eingerichtet.
Ich verlasse derweilen den Deich und gehe nur wenige Schritte weiter hinter der Deichsohle auf das BadeWerk zu. Neuharlingersiel ist seit dem Sommer 2011 um eine Spa- und Badelandschaft reicher. Kein auffälliger Wellness-Tempel, der hinter dem Deich in die Höhe ragt, sondern ein eher friesisch-bescheiden wirkender Klinkerbau, der wohl überlegt in die Landschaft integriert wurde und es seinen Gästen ermöglicht, selbst bei schlechtem Wetter trockenen Fußes vom zentralen Kurhaus über eine überdachte Passage ins BadeWerk zu gelangen. Doch von Regen ist heute nichts in Sicht.
Ich bin bester Dinge und auf dem Weg zu einer Thalasso-Anwendung. Die Kraft des Meeres, so die Bedeutung des altgriechischen Wortes thálassa, habe ich mir schon um die Ohren wehen lassen. Jetzt will ich sie auch direkt auf der Haut spüren. Das BadeWerk ist ein klares Bekenntnis an die Nordseeküste. Hier hat man direkt an die jahrelangen Erfahrungen Neuharlingersiels als Nordseeheilbad angeknüpft, und das Element in den Vordergrund gestellt, von dem Land und Leute seit jeher umgeben sind: Die Nordsee.
Drinnen im lichtdurchfluteten Glasfoyer des BadeWerkes angekommen, begrüßt mich Spa-Managerin Petra Baasen persönlich. Sie ist stolz auf die Einrichtung. Immerhin ist das BadeWerk als erster Wellness-Anbieter in Niedersachsen mit der Höchstwertung von fünf Medical Wellness Stars für seine naturnahe Lage, die natürlichen Materialien in der Ausstattung, Personal und Service und das ganzheitliche Behandlungsspektrum ausgezeichnet worden. Wie viel Arbeit hinter so einer Zertifizierung steckt, wird Petra Baasen später noch berichten. Sie habe in ihrer beruflichen Laufbahn schon etlichen Wellness-Zentren beim Aufbau und der Einhaltung der anspruchsvollen Prüfkriterien geholfen. Wichtig sei ihr jedoch zu wissen, dass eine Differenzierung besteht zwischen Wellness, als reinem Luxusgut, wo einzig der Wohlfühlaspekt im Vordergrund steht, und der Medical Wellness, die es zum Ziel hat, medizinische Indikationen zu unterstützen und zur Gesundheitsförderung beizutragen. Letztere Anwendungen werden ärztlich und therapeutisch begleitet und es ist auch eine Abrechnung mit den Krankenkassen möglich.
Ich bin hingegen ausschließlich im BadeWerk, um mich verwöhnen zu lassen, um die Seele aufzutanken und die Hektik des täglichen Einerleis zu vergessen. Am Empfangscounter des Spa-Bereiches wird mir als Erstes ein Begrüßungsgetränk gereicht. Ich kann in Ruhe ankommen und abschalten. Es wird noch kurz dauern bis mein Thalasso-Programm beginnen kann.
Für die Anwendungen werden vor allem natürliche Wellness-Produkte aus dem Meer verwendet. Das Nordseewasser wird über ein eigenes internes Pump- und Umlaufsystem direkt frisch aus dem Meer gewonnen und für das Meerwasser-Hallenbad, zum Inhalieren oder für kalte und warme Bäder aufbereitet. Zum Thalasso-Spektrum gehören aber auch Massagen, Körperpackungen, Gesichtsmasken und Peelings mit Algen, Meersalz und Naturschlick. Mitarbeiter des Kurvereins Neuharlingersiels bauen den Schlick für die Anwendungen eigens vor Ort ab. „Das ist einzigartig für eine Wellness-Einrichtung an der ostfriesischen Nordseeküste“, erzählt mir Petra Baasen.
Ihre haselnuss-braunen Augen bestimmen ihr strahlendes Gesicht. Man merkt, diese kleine, zierliche Frau steht mit ganzem Herzen hinter der naturverbundenen Philosophie des Hauses. Sie führt weiter aus, dass der grau-braune Schlamm rund 400 Jahre alt ist und aus einer unterirdischen Schlickblase, einer verlandeten Bucht mit besonders sauberem Naturschlick, stammt. Das Naturprodukt ist vor allem reich an Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen und Tonerde und hat eine wohltuende Wirkung auf Haut und Gelenke, regt die Entschlackung des Körpers an und stimuliert das Immunsystem und den Stoffwechsel.
Zwischenzeitlich ist der Schlick-Dampfer vorbereitet. Eine Mitarbeiterin erscheint und bittet mich zur ganz speziellen Wellness-Zeremonie der Ostfriesen, so wie sie extra für das BadeWerk in Neuharlingersiel konzipiert wurde. Hierzu wird zunächst der heilsame, relativ feste Naturschlick auf den ganzen Körper aufgetragen, bevor dieser sich in einer darauffolgenden Bedamfungsphase im kuschelig warmen Dampfbad bei 55 Grad wieder auf der Haut verflüssigt. Der Kreislauf wird angeregt, die Poren öffnen sich, ein leichter Peeling-Effekt entsteht. Ich sitze im schummerigen, blau-illuminierten Licht im Nebeldampf und genieße das seidige Gefühl, das auf der Haut entsteht. Schließlich beginnt es ganz leicht von oben zu regnen. Und es versteht sich beinahe von selbst, natürlich wird hier mit ostfriesischem Regen der Schlick wieder abgespült.
Nur wenige Minuten später verweile ich nach meiner ersten Anwendung im Ruheraum des Spa-Bereiches bei einer Tasse Tee und entspanne meine Glieder. Herrlich. Ein Gefühl der Entspannung ist bereits entstanden und wird bei einer rund 25 minutigen Thalasso-Aromamassage mit einem wohlduftenden Algen-Öl, die ich unter den Händen einer kompetent ausgebildeten Wellness- und Massagenmitarbeiterin genieße, noch vertieft.
Danach bietet es sich geradezu an, im Kaminbereich des Bistros Platz zu nehmen und einen frisch gepressten Orangensaft zu trinken. Praktisch und wohl durchdacht ist, dass alle Leistungen im BadeWerk von der Umkleidekabine über die Anwendungen bis zum gastronomischen Service über ein Chip-Armband verbucht werden, dessen aufgebuchter Zwischenstand ich zu jeder Zeit an dafür vorgesehenen Lesestationen, sogenannte Terminals, abrufen kann.
Ich entschließe mich, abschließend noch einen Saunagang mitzumachen. In der rund 3.000qm großen Saunalandschaft habe ich da ein wenig die Qual der Wahl. Alle Saunen sind optisch im nordisch-friesischen Stil gehalten. Es gibt eine klassische, trockene Hafen-Sauna, eine Salzkajüte mit geringer Raumtemperatur und feinem Salzgehalt in der Luft sowie eine Dampf-Sauna im Innenbereich, während draußen zu jeder vollen Stunde ein Aufguss in der 90°C heißen Strandhallen-Sauna stattfindet oder ein Sauna-Kutter es ermöglicht, dort zu saunieren, wo sonst der Kapitän das Steuer in der Hand hält.
Ich entscheide mich hingegen für die tief in einen Erdwall eingebaute, absolut urig wirkende Deich-Sauna. Urgemütlich und besonders stimmungsvoll sitzt man hier um einen Klinkerofen herum, die Wände mit dunklem Holz verschalt, unter der Erde im Schwitzbad. Das ist Entschleunigung pur. Nachdem ich nach rund 10 Minuten aus der Sauna rauskomme, lasse ich die Seele in der Hängematte baumeln, gucke in den ostfriesischen Himmel mit seinen kleinen Schäfchen-Wolken und kann die leichte Meeresbrise, die direkt von der Nordsee rüber weht, spüren.
Der Tag neigt sich dem Ende. Vor dem BadeWerk zieht sich das Nordseewasser zurück. Es ist einsetzende Ebbe. Ich stehe da und betrachte das Wattenmeer von einer ganz anderen, zweiten faszinierenden Seite.
Heute ist es mir hier, bei meiner Kurzvisite am Meer, gelungen, den perfekten Ort auszumachen, um richtig zu entspannen, um jegliche Betriebsamkeit zu vergessen, neue Energie zu tanken und die körperlichen Akkus zu revitalisieren.
Weil es mir in Neuharlingersiel so gut gefallen hat, nehme ich noch ein kleines Stückchen vom Meer mit nach Hause. Es ist eine eigens für das BadeWerk entwickelte Thalasso-Seife von der Auricher Seifenmanufaktur Care Naturseifen, selbstverständlich mit Meerwasser und Neuharlingersieler Naturschlick angereichert. Eine frisch-minzig duftende Nordsee-Brise zum Mitnehmen, die nicht nur eine heilende Wirkung für die Haut hat, sondern an der man auch ganz einfach mal riechen kann, wenn einem die Nordsee und die gute Luft fehlen.
Wellness-Arrangement: 1 Tag im BadeWerk
Mit folgenden Leistungen:
- 1x Tageskarte BadeWerk mit Sauna und Meerwasser-Hallenbad
- 1x Körperpeeling (mit BadeWerk Thalasso-Seife) (20 Min.)
- 1x Schlickpackung im Schlick-Dampfer (20 Min.)
- 1x Algen-Öl-Massage (25 Min.)
- 1x Wellness-Salat und Obst- oder Gemüsesaft (frisch gepresst)
- 1x Thalasso-Seife zum Mitnehmen
Preis: 80,00 Euro pro Person