Wer auf der Suche nach der karibischen Seele Kubas ist, wird im Osten fündig: Das „Freilicht-Museum“ des Inselstaates ist weit mehr als nur Salsa, Puderzuckerstrände, betagte Cadillacs oder edle Zigarren. Das wird jedem schnell klar, der klassische Touristenzentren wie Varadero verlässt. Und sich auf eigene Faust oder in Obhut eines erfahrenen Spezialveranstalters in Richtung Osten bewegt. Die Ost-Region fasziniert mit ihrer Mischung aus wilder Natur, Kolonialbauten und der natürlichen Lebensfreude ihrer quirligen Bevölkerung. Der „wilde Osten“ Kubas ist noch temperamentvoller und ursprünglicher als der Rest des Landes. Vor allem aber ist er mit seiner Revolutionsgeschichte verwachsen.
Rebellen und Revolutionen
Ganz besonders gilt dies für die Sierra Maestra, deren landschaftliche Schönheit schon Che Guevara und Fidel Castro beeindruckt haben muss. Im Versteck vor den Truppen des Diktators Fulgencio Batista, eines Kollaborateurs der US-Regierung und der Mafiabosse um Meyer Lansky, wurden hier zwischen Bananenstauden und Zitrusbäumen einige Eckpfeiler des karibischen Sozialismusmodells formuliert. Unter anderem soziale Reformen und darüber hinaus ein für Lateinamerika beispielloses Bildungs- und Gesundheitssystem. Natürlich hat der Revolutionär aus Berufung mit seinem in der Bevölkerung genannten „fidelismo“ den nördlichen Nachbarn gewaltig verärgert, indem er „dem sauberem Amerika dieses lukrative Paradies und Sündenbabel einfach wegnahm“. Diese und andere politisch-ideologische Entscheidungen müssen nach Ansicht des renommierten Kuba-Experten und ehemaligen Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Volker Skierka, „tiefe narzisstische Kränkungen im Angesicht der Geschichte“ ausgelöst haben, die „ihm die Großmacht aus dem Norden … nie verzeihen wird.“ Auch wenn auf der polarisierenden Antillen-Insel vieles „nicht leicht ist“ („no es facil, no es facil nada“), wie die Einheimischen zu pflegen sagen: Dem zurück gegebenen Nationalgefühl der Kubaner, die sich seit 51 Jahren vom US-Embargo nicht entmutigen lassen, der Natur Kubas und dem entschleunigten Lebensrhythmus des Ostens tut das keinen Abbruch. Hier, inmitten dieses industriefernen Naturparadieses, schwimmt zwar niemand in Geld. Aber es versinkt auch keiner im Elend, wie in vielen Ländern Lateinamerikas. Das und vieles andere macht Kuba so unverwechselbar und zieht trotz oder vielleicht sogar wegen seines großen sozialen Wandels viele Touristen aus aller Welt an. Bis März dieses Jahres zählte Kuba bereits eine Million Besucher. Bis Jahresende erwartet sich das kubanische Fremdenverkehrsamt bis zu 2,5 Millionen Gäste.
Prachtvoll ist die Vegetation rund um die charmante Provinz- und einstige Hauptstadt Baracoa. Die älteste Stadt der Antillen-Insel liegt im äußersten Südosten Kubas. Sie wurde 20 Jahre nach Christopher Kolumbus‘ Ankunft in Kuba, im Jahre 1512, von Diego Velàquez als erste spanische Siedlung gegründet. Vorbei sind die Zeiten, als Baracoa fast ausschließlich abhängig vom Handel war. Bis zu Fidels Revolution führten keine Straßen nach Baracoa. Im Vergleich zu Havanna oder Varadero finden sich heute hier wenige Touristen, was diesen Ort umso interessanter macht. Allein der Weg von Santiago de Cuba nach Baracoa nimmt entlang einer nebelverhangenen, grünen Bergkette Reisende anmutig für sich ein. Heute finden sich in der Kakao-Stadt zahlreiche Zeugnisse aus dieser Ära. Eines davon ist das Hotel „La Russa“, zu Beginn des 20. Jahrhunderts das einzige Hotel Baracoas. Hier lebten zeitweise Che, Fidel und Raúl, hier sollen sie noch viele Anhänger haben.
Die Umgebung von Baracoa bietet viele Ausflugsziele, beispielsweise den „Parque Nacional Alejandro de Humboldt“. Er liegt 20 Kilometer nordöstlich der Stadt. Von weitem sichtbar ist der Tafelberg „El Yunque“. Ihn kann man mit einem lokalen Führer zu Fuß erklimmen. Von seinem Gipfel auf 575 Meter Höhe über dem Meeresspiegel bietet er eine herrliche Aussicht auf die Stadt, regenwaldbehangene Berge, Flüsse und die Bucht von Porto Santo. Da die Berg-Exkursion eine gute Kondition und Trittsicherheit voraus setzt, werden sie nur geübte Wanderer auf sich nehmen.
Küsten, Kutschen, Königspalmen
Wer sich nach Robinsoe Crusoes Welt sehnt, vielleicht in etwas komfortablerer Variante, wird in Maguana fündig. Das Dorf befindet an der Humboldt Nationalpark-Küste. In einer von ungewohnten Vogelstimmen durchdrungenen Regenwald- und Mangroven-Landschaft wohnt man in kleinen Holzhäusern die zur „Villa Maguana“ gehören. Eine winzige Privatbucht gehört dazu. Aktivurlauber, die das Sporteln am Meer, Tauchen und Schnorcheln lieben, finden ihr unberührtes Wassersportrevier nach nur zehn Geh-Minuten, am einsamen, hellen Sandstrand von Maguana. Die Anlage hat nur vier Häuser mit jeweils vier Zimmern, von denen zwei direkten Blick auf das klare, türkisfarbene Meer haben. Mit rustikalen Schaukelstühlen auf der Terrasse, wenig, aber dafür gutem Personal und dunklen Holzmöbeln lebt man hier in einer familiären Dschungel-Atmosphäre. Wilde Flüsse dringen durch dichte Urwälder des angrenzenden Nationalparks an die Küsten. Königspalmen, Kubas Nationalsymbol, säumen die Uferstraßen. Die entspannte Atmosphäre des angrenzenden Naturparks fordert zu Wanderungen und Bootsfahrten auf. Etwa entlang des Flusses Toa. Der Besuch eines von vielen hier lebenden Kaffeebauern oder eines Pferdeschmieds, der noch in der Tradition unserer Großväter arbeitet, ist ebenso reizvoll wie ein gemütliches Grillabenteuer in Flussnähe.
In der tropischen Berglandschaft der etwa 150 Kilometer entfernten Sierra Maestra lässt es sich unter freiem Himmel herrlich meditieren, flusswandern und Schmetterlinge beobachten. Fachmännisch geschulte Guides bringen den Gästen die endemische Fauna und Flora der grünen Sierra Maestra näher. Die kubanische Flora zählt mehr als 6500 Spezies, von denen fast die Hälfte einheimisch ist. Aus der Fauna von Kuba sind einige der kleinsten Tiere bekannt, wie etwa der kleinste Frosch der Welt (Eleuterodactylus iberia) und die Schmetterlingsfledermaus (Natalus lepidus).
Die Kutschenstadt Bayamo in der Provinz Granma gilt als „Wiege der kubanischen Revolutionen“. Sie liegt am nördlichen Fuß des Gebirgszuges Sierra Maestra. Hier wurde im Jahr 1819 der Großgrundbesitzer, Rebell und Gründer der kubanischen Nation Carlos Manuel de Céspedes geboren. 1868 rief er von seiner Zuckermühle „La Demajagua“ zum Aufstand gegen die spanischen Kolonialherrscher auf. Er ließ alle seine Sklaven frei und forderte sie auf, sich ihm anzuschließen. Als die Aussichten der Kubaner nach einem Jahrzehnt des Widerstands schwanden, gegen die Spanier zu siegen, brannten sie auf der Placa de la Revolucion, dem Zentralplatz Bayamos, ihre Stadt nieder. Den Spaniern wollten sie nichts vermachen. Mit einer Ausnahme. Cespedes‘ Geburtshaus blieb verschont. Das heutige Museum vermittelt mit seinen vielen Originalmöbeln das Lebensgefühl der frühen Revolutionszeit. Einer der beteiligten Rebellen, Pedro Figueredo, verarbeitete diesen Widerstand in seinem Lied „La Bayamesa“. Sie wurde 1902 zur kubanischen Nationalhymne.
Heute ist Bayamo durch den Anblick bonbonfarbener Fassaden und zahlloser Kutschen geprägt, die die Einheimischen gern anstelle eines Omnibusses als städtisches Verkehrsmittel und zum Vergnügen der Kinder nutzen. Eine Kutschen-Schnupperfahrt durch Bayamo ist die entspannteste Art, die 200.000 Einwohner-City zu erkunden. Und mit Fahrkosten von ein bis drei Euro durchaus erschwinglich. Sie ist ein idealer Ausgangspunkt für individuelle Rundreisen, der Auftakt für karibische Entdeckungstouren fernab von Massenhotels.
Radfahren auf fast autofreien Straßen
Mit dem Fahrrad oder sogar Roller Blades karibische Städte zu erobern, ist auf Kuba kein Kunststück. Denn Autos sind für viele Kubaner unerschwinglich und das Benzin ist teuer. So sind die Autobahnen kaum befahren, besonders im Osten. Wer sich hier mit dem Fahrrad fortbewegt, gewinnt rasch unmittelbaren Eindruck von der kubanischen Lebensweise. Auch deshalb, weil die Inselbewohner meist selbst per Drahtesel, Kutsche oder Pferd unterwegs sind. Man hat den Eindruck, auf Menschen zu treffen, die ihre karibische Leichtigkeit nicht verloren haben. „Inventar“, den Tag immer wieder aufs Neue erfinden, ist die pfiffige Antwort der stolzen Insulaner auf die vielfältigen Herausforderungen des Lebens.
Um sich an das „Radfahren auf kubanisch“ zu gewöhnen, eignen sich etwa sieben Tagesetappen à 40 bis 60 Kilometer. Einige Spezialveranstalter bieten geführte Radtouren durch Ost-Kuba mit einem Begleitfahrzeug an. Alternativ können geübte Aktivurlauber die Radreise auf eigene Faust planen. Flickzeug und einige Spanisch-Kenntnisse sollten nicht fehlen. Denn bei platten Reifen und heißem Klima kann der Weg ins nächste Dorf lang sein. Etwas bequemer lässt sich Kubas Osten mit dem Mietauto entdecken. Für die teils ungeteerte Strecke zwischen Santiago und Baracoa ist ein Jeep ratsam.
Abenteuer Sierra Maestra
Im Naturhotel „El Salton“ bei Contramaestre (Sierra Maestra) rauscht ein etwa 15-metriger Wasserfall zu Füßen seiner Gäste hinab und lädt zu einem Sprung ins kühle Nass ein. Auf den Spuren von Fidel und Che wandert man am besten im Nationalpark Turquino, im Herzen der Sierra Maestra, meist ausgehend von der flussnahen, idyllischen Rad- und Bergherberge „Santo Domingo“. Die „Routa del Commandante“ ist das Richtige für geschichtsinteressierte und abenteuerlustige Urlauber. Das ehemalige Hauptquartier Castros, die „Comandancia de la Plata“, kann von Santo Domingo aus mit einer Genehmigung besichtigt werden. Im Naturpark erwartet der stolze „Pico Turquino“, Kubas höchster Berg mit 1974 Metern über dem Meeresspiegel, Mountainbiker und Wanderer, die die sportlich-schweißtreibende Herausforderung einer mehrtägigen Tour mitsamt Hütten-Übernachtungen lieben.
Heiße Rhythmen
Vom Nachbarstädtchen Pilòn aus führt die Küstenstraße bis nach Santiago, der „heimlichen Hauptstadt“ Kubas. Hier wird man von sprudelnd- improvisierter Live-Musik begrüßt. Wenn die afro-kubanischen Rhythmen erklingen, ist Wackeln erlaubt. Ausdrücklich. Ohnehin stehen die Füße nicht still. Sie sind dem lebensfrohen Takt ausgeliefert. Herrlich, dass einen hier niemand nach der Brigitte-Diät fragt und man seine kleinen „Problemzonen“ nach Herzenslust mit den Einheimischen schwingen darf. Ohne sich die Blöße zu geben. Im Gegenteil. Mit jedem Selbstversuch im Salsa-Tanzen ist einem ein anerkennendes Sonnenschein-Lächeln mehr gewiss.
Das quirlige Santiago de Cuba ist mit 550.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kubas und die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Es wurde 1515 ebenfalls von Diego Velázquez gegründet, war zeitweise Hauptstadt. Im 16. Jahrhundert diente es den mächtigsten Kolonialherren des Karibikraums, den Spaniern, wegen seines natürlichen Binnenhafens als zentraler Stützpunkt. Außerdem war Santiago Anlaufstelle für Sklavenschiffe aus dem westlichen Afrika. Noch heute ist hier der größte Teil der Bevölkerung afrikanischer Abstammung. In der Stadt, in der 1959 Fidel Castro den Sieg der kubanischen Revolution verkündete, gibt es heute überdurchschnittlich viele Salsa-Konzerthäuser. Nebenbei ist es der perfekte Ort für alle, die neben ihrem Spanisch-Kurs noch Mambo, Rumba oder Salsa üben wollen. Der wilde Osten Kubas versprüht eine Magie, die selbst „Einsteiger“ in dauerhafte Fans verwandelt. Ein Feldforschungsexperiment im „Oriente“, dem authentischen Kuba, ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Reisetipps:
Kubanisches Fremdenverkehrsamt: ww.cubainfo.de
Anreise:
Direktflüge: Condor fliegt den Airport Holguin im Osten der Insel … Mal pro Woche direkt an, www.condor.de. Auf Wunsch nehmen Fluggesellschaften das eigene Fahrrad an Bord. Bei Condor kostet die Mitnahme auf der Fernstrecke 40,- Euro. Mehr Beinfreiheit und Entspannung gewinnt man durch die Flugbuchung in der Premium Economy Class. Wer sich ein ausgeruhtes Ankommen in Kuba oder am Heimatflughafen gönnen möchte, ist ab einem Aufpreis von 100 Euro dabei.
Spezialveranstalter:
Aventoura, Wikinger-Reisen, Cuba Star Travel
Individuelle Reiseplanung:
Bei vielen Spezial-Veranstaltern, Reisebüros und im Internet erhält man Kombi-Angebote für eine individuelle Rundreise durch Kuba. Der Paketpreis „Flexy-Drive“ von „aventoura“ beinhaltet ab einem Preis von 310,- Euro pro Person den Mietwagen für 7 Tage sowie 7 Übernachtungs-Gutscheineine im DZ mit Frühstück in 120 Hotels im 2- bis 4-Sterne-Segment auf Kuba.
Hoteltipps:
Da man sich im Osten Kuba fernab touristischer Zentren bewegt, sind bis auf einige Ausnahmen keine Luxus-Resorts vorzufinden. Wem nach einer naturtouristischen Rundreise der Sinn nach ein wenig Luxus steht, der ist im „Paradisus del Oro“ in Guardalavaca hervorragend aufgehoben. Stil, Eleganz und viel Privatsphäre zeichnen das eine Autostunde von Holguin entfernte Hotel aus, das als eines der besten auf Kuba gilt. Manche All Inclusive-Zimmerkategorien mit Hängematte und Außendusche (Deluxe Junior-Suiten Typ B) sind beispielsweise nur über TUI ab 93,- Euro pro Person buchbar: www.tui.de
Stadthotels:
Royalton – Neckermann Casa Granda Baracoa
Naturhotels:
El Salton, Maguana, St. Domingo
Literaturtipps:
Volker Skierka: Fidel Castro. Eine Biographie. rororo, 10,95 €, ISBN 978-3-499-61386-9 Wolfgang Ziegler: Cuba, Michael Müller Verlag, 22,90 Euro, ISBN-10: 3899535316