Krk: Die verlorenen Buchstaben der Kroaten

Es fällt mir an diesem Nachmittag schwer, mich daran zu erinnern, wann genau man mich darauf angesprochen hat. Aber die Kritik war berechtigt, ebenso wie die Frage, wo genau in der Adria die Insel liegt und wer den Namen sich ausgedacht hat, auch für eine Stadt, die nur aus drei Konsonanten besteht – und das in Europa. „Das kann es doch nicht geben. Da fehlen doch Vokale?“, wandte mein Gesprächspartner ein. Zeit, dieser Geschichte auf den Grund zu gehen, und natürlich, um im Juni eine der faszinierendsten kroatischen Inseln in der Adria zu besuchen. Krk.

Als Kroatien am 19. Juli 1980 die Krker Brücke eröffnet hat, rückte eine der größten Inseln der Adria – neben Cres – ein bedeutendes Stück an den internationalen Tourismus heran und damit in den Fokus naturliebender Familien und Kulturreisenden. Die knapp 400 Quadratkilometer große Insel ist zwar etwa so groß die Barbados. Doch nur annähernd 21000 Einwohner leben in den 68 Ortschaften der Insel. „Die könnten wir alle auch mit dem Rad abfahren“, denke ich mir und erinnere mich an die zum Teil ewig langen Tagestouren entlang schnöder Landschaften wie sie manche Radwege in Deutschland bieten. Die Radwege auf der Insel sind abwechslungsreicher. Und inmitten der üppigen Flora und Fauna gestaltet sich die Suche nach den verlorenen Buchstaben der Kroaten mancherorts sogar abenteuerlich.
Das Geheimnis der kleinen Kapelle Sv. Lucija

Über Umwege erreichen wir diesen Ort, ganz im Süden der Insel Krk, unweit der Touristenstadt Baška. Abseits des Zentrums Jurandvors erscheint dann plötzlich die kleine Kapelle Sv. Lucija. Der Platz davor ist fein herausgeputzt und die Mauern des aus dem 11. Jahrhundert stammenden alten Gebäudes strahlen in der Morgensonne in hellem Beige. Und es ist heiß. Doch der Anlass, ohne Umschweife das Innere der alten Gemäuer aufzusuchen, ist ein anderer. An diesem Ort, so erzählt man es uns, lässt sich die bewegende Geschichte der Insel, ja ganz Kroatiens erklären.

Dann zeigt sie auf eine Steintafel mit seltsamen Zeichen. Einst als Altarschranke der frühromanischen Kapelle, die der Heiligen Lucia geweiht ist, gewidmet, wurde die etwa 1×2 Meter große Tafel erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Der Baskaner Theologen Petar Dorčić hatte sie im Jahre 1851 auf dem Boden der ehemaligen Benediktinerkirche gefunden. Wie ein Grabstein lag sie in der kleinen Kirche. Und weil im Laufe der Zeit zahlreiche Gläubige darüber liefen, war sie deutlich beschädigt. Auch deshalb wird sie seit 1934 in der Kroatischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Zagreb aufbewahrt. Was aber bedeuten die beiden Totenköpfe auf dem Boden vor dem Altar?
Die beliebten Kieselstrände von Baška
Baška zeigt sich heute von seiner sonnigen Seite – Zeit für ein Bad in der Adria und Zeit, sich über die Kulturgeschichte Krks auseinander zusetzen. Dazu aber später mehr. Die Kaverner Bucht ist beliebt für sein blaues, klares und kühles Wasser. Aber auch gefürchtet bei Barfußgängern. Zwar gibt es mehr als dreißig Kieselstrände, von dem der mit etwa 1800 Meter größte der „Vela plaža“ ist und inmitten der Ortschaft liegt. Und der Weg zum Strand ist nur wenige Meter von den Hotels entfernt. Weil in der Hochsaison aber Körper an Körper an diesem beliebten Strand liegen, suchen manche auch einsamere Möglichkeiten des Badeurlaubs.

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Die gibt es auch. Nur wenige Meter weiter. Allerding führt der Gang ins Wasser über Fels und ist damit für Kinder nicht immer geeignet. Wir empfehlen an dieser Stelle, Badeschuhe zu tragen, um sich vor den glatten aber auch teils sehr scharfen Steinen zu schützen. Sehr hilfreich ist zudem eine der vielen Treppen, die dort aufgestellt wurden. Sie führen vom Fels mit Liegeplatz direkt ins tiefere Wasser. Ich bleibe nun aber erstmals liegen und schütze mich mit einem großen Handtuch vor der Sonne. Der Tag war anstrengend, das Baden auch.
Die glagolitische Schrift und die Wiege des Glagolitums

Das Heritage Hotel Forza hat vier Sterne und liegt im Zentrum von Baška, keine fünf Gehminuten vom Strand entfernt. Auch der Hafen von Baška kann von dort aus in einer halben Stunde zu Fuß erreicht werden. Wäre mein Blick an der Rezeption nicht auf den Bilderrahmen mit der Übersetzung der glagolitische Schrift gefallen, ich hätte meine Mission vergessen. Vermutlich wäre ich erst am nächsten Morgen beim Radfahren daran erinnert worden. Denn überall auf der Insel wurden einzelne Buchstaben in großen Felsbrocken gehauen.

Eine Reminiszenz an den byzantinischen Mönch Konstantin von Saloniki (Kyrill), der das glagolitische Alphabet um 863 für die Mission in Pannonien und Mähren weiterentwickelt hat. Mit diesem Wissen frage ich, was denn nun die Inschrift der Tafel von Baška besagt?
Die Übersetzung der Inschrift der Tafel von Baška:
 Ich, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes,
 Ich Abt Držiha schrieb dies über dieses Stück Land, welches
 Zvonimir, König Kroatiens, in seinen Tagen, der Heiligen Lucija
 schenkte. Und die Zeugen (sind):
 Präfekt Desimir aus Krbava, Martin ausLika, Pribineg, dieser
 Gesandte aus Vinodol [und] Jakov von der Insel.
 Sollte jemand dies bestreiten, so verfluche ihn Gott und die
 12 Apostel und die 4 Evangelisten und die Heilige Lucija. Amen.
 Sollte hier jemand leben
 so solle er für sie zu Gott beten. Ich, Abt Dobrovit,
 erbaute diese Kirche und mit meinen neun Brüdern
 in den Tagen des Knez Kosmat, der dieses
 Land beherrschte. Und es war in diesen Tagen Mikula
 in Otočac mit der [Abtei der] Heiligen Lucija vereint.

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