Früh, aber noch zu einer christlichen Zeit, holt uns Chaim Rockmann vom Hotel in Nazareth ab. Die stabilen Mountainbikes hat der bereits sorgsam auf dem Hänger montiert, die Wasserflaschen liegen gestapelt im Wagen bereit. Kleinigkeiten werden geklärt, dann rollen wir los, schieben uns langsam durch die engen Straßen der Stadt. Schön, dass wir hier nicht Radeln müssen, sondern erst vor den Toren Nazareths, rund 30 Kilometer nördlich, auf das Bike steigen. In dem dichten Verkehr ist das Fahrradfahren anstrengend – auch weil die Fahrradwege fehlen.
Chaim – gesprochen Haim – ist unser Guide für die kommende Tage. Er ist Student der modernen Arabischen Geschichte, groß, schlaksig und Anfang siebzig! Aber er ist einer von mehr als 2.400 qualifizierten Touristenführern, die Israel bis ins Detail erklären können. Darüber hinaus ist er einer der etwa 60 Guides, die sehr gut Deutsch sprechen. Zwar wird in Israel an fast jeder Ecke englisch gesprochen und verstanden. Dennoch: Das Deutsche aus seinem Mund hilft in manchen Situationen: Etwa wenn er aus dem Effeff einen Psalm aus dem Alten oder Neuen Testament zitiert, der die Gegend, den Anlass oder die Begebenheit treffend beschreibt. Vermutlich ist er damit der einzige seiner Gilde, der seine Vorlieben, Bibelpsalm zitieren und Fahrradfahren, zur Berufung gemacht hat. Was also wäre treffender, als den ersten Tag auf dem Mountainbike den Gospel Trail entlang zu fahren.
Hinter jedem Hügel ein Bekenntnis
Nach der Enge der Stadt und der Fahrt im Tourbus, die trotz gut ausgebauter Strassen dauert – nur selten überschreitet Chaim die 80 km/h, obschon die israelische Straßenverkehrsordnung eine weitaus höhere Geschwindigkeit erlaubt – freuen wir uns auf die erste Etappe. „Der Gospel Trail ist eine Reise in die Vergangenheit des Christentums“, sagt Chaim, freut sich und zeigt auf seine Karte – die allerdings ist auf Hebräisch. Auch die schnellen Fingerbewegungen, mit der er uns auf der Karte den Weg erklären möchte, verwirren.
Jetzt heißt es also, wachsam sein. Denn wir wandern sozusagen auf den Spuren Jesu. Die legte er, als er seinen Heimatort Nazareth verlassen musste. Zu gewagt waren die Predigten seiner neuen Lehre. Also vertrieben ihn die Bewohner der Stadt. So durchquert er das Land – entlang der Hügel, die im zentralen Galiläa noch heute die Landschaft prägen, vorbei an Feldern mit Wildblumen und durch ausgedörrte Trockengebiete.
Nach diesem kurzen geschichtlichen Ausflug zu den Anfängen des Christentums strampeln wir also los. Im Gepäck genügend Wasser und die Hoffnung, etwas Biblisches zu entdecken. Immerhin erzählt der vor uns liegende Weg den wohl bedeutendsten Teil des Evangeliums. Die knapp 65 Kilometer des Gospel Trails führen nämlich nicht nur von Nazareth bis zum See Genezareth, sie führen uns auch durch eine Jahrtausende Jahre alte Geschichte. Wohlwissend, dass die Mitarbeiter des israelisches Tourismusministeriums, die den Trail vor etwa zwei Jahren angelegt haben, bemüht waren, die Route so zu führen, dass möglichst viele religiöse Stationen gekreuzt werden.
Kleine aufgetürmte Steinwegweiser, auf denen ein Anker als Zeichen für den See Genezareth gezeichnet wurde, und farbig markierte Steine und Bäumen weisen einem den Weg entlang des Gospel Trails.
Die gespendeten Wälder Israels
An diesem Tag, im Mai des Jahres 2013 A.D, durchfahren wir großflächige und gewissenhaft angelegte Parks, radeln gemütlich an bewirtschafteten Feldern mit tausenden Olivenbäumen vorbei und rasten an gut ausgebauten Aussichtsplattformen, die einen herrlichen Blick über das Land bieten. Die erste Möglichkeit einer herrlichen Aussicht erreichen wir schon nach wenigen Kilometern – am Auslauf einer Kehre.
Dort hat der Jewisch National Fund auch ein kleines Felsmonument errichtet, auf der Vorderseite eine große Steintafel angebracht, die an den ehemaligen britischen Premier Winston Churchill erinnert und ihm dankt. Dafür, dass er auf einem Teil des Landes, speziell an diesem Ort – beiderseits der Bet Keshet Forest Scenic Road – Bäume hat pflanzen lassen. So ähnelt die Gegend an den östlichen Ausläufern der Hügel von Nazareth einer mediterranen Waldlandschaft. „Seit 1948 wird das Land Israel intensiv ausgeforstet“, erklärt Chaim. Viele Israelis, israelische Unternehmen aber auch Juden auf der ganzen Welt spenden dafür Geld.
Fast die gesamten ehemals bewaldeten Gebiete zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan wurden nämlich während des ersten Weltkrieges vorwiegend von deutschen und italienischen Soldaten abgeholzt und unter anderem für das Betreiben der ersten Züge verheizt. Heute ist Israel ein fruchtbares Land, mit zahlreichen Plantagen auf denen Olivenbäume, Bananenstauden und Weinreben gedeihen. Und selbst in den Tälern der Judäischen Wüste gelang es, Wein anzubauen. Was die Winzer dazu alles anstellen mussten lesen Sie in unserer Reportage „Der Wein der Negev“.
Israel Trail bis ans Rote Meer
Denn auch die Negev ist ein beliebtes Ausflugsziel für Aktivurlauber. Auch wenn der Süden Israels einer zerklüfteten Wüstenlandschaft gleicht – bereits nach wenigen Kilometern südlich der alten Stadt Beer Sheva schaltet die Landschaft von Wiesen und Weiden auf Stein und Geröll. Mit dem Mountainbike durch die Negevwüste zu fahren, ist dennoch ein besonderes Erlebnis. Kleine Hügel aber auch ausgewachsene Berge formen den Weg, an denen an manchen Stellen links und rechts Felswände steil zu Boden fallen. Manche Abhänge bieten darüber hinaus dem Profi genügend Spielraum für waghalsige Donwhills.
Wer es als sportlicher Mountainbiker aber gerne gemächlicher mag, und auch an mehreren Tagen hintereinander aufsatteln möchte, schafft die Negev-Wüstentour, also die rund 500 Kilometer von Jerusalem nach Eliat am Roten Meer, in wenigen Tagen. Diese Tour empfehlen wir aber für die beste Reisezeit im Frühjahr bis Juni und im Herbst ab September. Dann ist die Judäische Wüste ein Erlebnis. Allerdings fehlen die Schatten spendenden Bäume und nur selten trifft man dort auf Bewohner, die einem im Notfall helfen könnten. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung leben in dem Gebiet, das im Westen von der ägyptisch-israelischen Grenze und dem Gazastreifen, im Osten von der Arava-Senke und im Norden von der Linie Gaza–En Gedi am Toten Meer begrenzt wird.
Seit dem das Land vor gut zehn Jahren den Fahrradtourismus entdeckt hat, finden sich in einigen abgelegenen Tälern aber einfache Unterkünfte, die einem für die Nacht ein Dach über den Kopf bieten.
Zwar ist auch das Zelten möglich. Doch erinnert ein Wummern an manchen Tagen daran, dass das israelische Militär den Negev sozusagen flächendeckend als Truppenübungsplatz eingenommen hat. Dafür hat man den Vorteil, dass die wichtigsten Strassen asphaltiert sind. Zudem gibt es sehr detaillierte Landkarten vom Israelischen Umweltschutzverband. Informationen zur Sicherheit in Israel, den Einreisebestimmungen und ausführliche Broschüren zu den verschiedenen Wander und Fahrradwegen in Englisch hat das Tourismusbüro Go Israel www.goisrael.com zusammengestellt.
Die Broschüre zum Gospel Trail finden Sie hier:
Weitere beeindruckende Bilder haben wir auf dem Reisebilderportal Reisebilder Datenbank gestellt.