Ich mag Seitenschneider

Liebe Frau Bobke, Sie haben nach dem Abitur ein Germanistikstudium begonnen. Wie kamen Sie auf die Idee, Pannenhelferin beim ADAC zu werden?
Schon als junges Mädchen wollte ich Automechanikerin werden. Da ich keine Lehrstelle fand, habe ich erst mal studiert. Das Studien begleitende Taxifahren hat mir aber mehr Spaß gemacht als die Germanistik … Als ich durch Zufall dann doch eine Lehrstelle fand, brach ich mein Studium ab. Nach der Lehre, Gesellinnenzeit und Meisterprüfung schickte ich eine Blindbewerbung an den ADAC. Dort bot man mir einen Job als Engel an – da konnte ich natürlich nicht nein sagen!

Sie beschreiben Ihre täglichen Begegnungen mit „Ihren Patienten“ sehr liebevoll. Ist Ihr Job Ihr Traumberuf? Was reizt Sie an Ihrem Beruf am meisten?
ADAC Engel zu sein, ist wirklich mein Traumberuf. Wenn ich meinen Dienst antrete, weiß ich nie, was passiert. Ich erlebe täglich eine Menge Überraschungen mit Autos und ihren Angehörigen. Es macht mir Spaß, anderen Menschen zu helfen und es reizt mich, Fehler und Lösung bei einer Panne in nur einer halben Stunde finden zu müssen. Wenn die Hilfe dann noch erfolgreich ist, umso schöner.

Als Pannenhelferin und KFZ-Mechanikerin sind Sie als Frau eher eine Seltenheit. Wo war/ist die Verwunderung größer, eine Frau als gelben Engel anzutreffen – bei Ihren Kunden oder Ihren Kollegen? Gab es eine Situation, in der Sie sich gewünscht hätten, eine andere Berufswahl getroffen zu haben?
Meine Kollegen haben mich immer herzlich und respektvoll aufgenommen. Auch die Kunden begegnen mir meistens freundlich. Es gibt zwar immer noch Menschen, die sich ungern von einer Frau bei der Autopanne helfen lassen. Aber hier hat sich schon einiges geändert. Als ich vor 17 Jahren als Gelber Engel begann, wurde ich öfter verwundert oder misstrauisch beäugt, zum Teil sogar abgelehnt. Letzteres kommt heute seltener vor. Die Gesellschaft gewöhnt sich langsam an Frauen in so genannten Männerberufen.

Und selbst haben Sie noch nie gezweifelt?
Auch wenn ich in meinem Traumjob arbeite – wenn ich mich bei Regenwetter in Pfützen unter Autos lege, um eine Auspuffanlage zu flicken und mir das Wasser ins Gesicht und in den Nacken läuft, liebäugle ich schon mit anderen Berufen. Oder wenn ich bei Minus zwanzig Grad einen Kupplungszug repariere und meine Finger am Metall festkleben. Solche Pannen passieren gern nachts und am Wochenende. Auch eine undichte Benzinleitung oder noch schlimmer ein triefender Dieselfilter können Zweifel an der Berufswahl aufkommen lassen.  

Sie treffen bei Ihrer Arbeit täglich auf Menschen in Extremsituationen. Sie müssen nicht nur liegengebliebene Autos behandeln, sondern häufig auch deren Besitzer beruhigen. Wird man für solche Fälle geschult? Was war Ihre extremste Situation?
Die beste Schule ist das Leben selbst. Natürlich braucht es Mitgefühl und Verständnis für die Menschen. Manche stecken es locker weg, wenn ihr Auto nicht funktioniert, für andere ist es eine Katastrophe. Das hängt natürlich davon ab, wo oder zu welcher Jahreszeit jemand liegen bleibt. Wie lange er oder sie warten musste und wie schlimm der Schaden ist. Ich erkenne meist recht schnell, wie ich dem Betroffenen helfen kann. 
Extrem sind für mich Situationen, in denen Gefahr für Leib und Leben besteht. Zum Beispiel wenn ein Kind in einem Auto eingeschlossen ist und sich der Wagen nicht mehr öffnen lässt. Oder wenn ein Auto auf dem Seitenstreifen der Autobahn liegenbleibt und Lkws vorbei donnern. Hier muss man jeden Moment damit rechnen, überfahren zu werden.

Viele Männer würden beim Blick in Ihre Werkzeugkiste erblassen. Was ist Ihr Lieblingswerkzeug?
Ich mag den Seitenschneider. Seiner Benutzung geht eine klare Entscheidung voraus. Bei Männern wecken eher mein Wagenheber und das Diagnosegerät Begehrlichkeiten. Beide haben im Lauf der Jahre sehr viel mehr Anträge bekommen als ich!

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