Kuba ist wie ein Herz. Seine beiden Kammern halten unterschiedliche Zeitgefühle und Entwicklungen bereit, und doch funktionieren sie als Ganzes. Die eine Kammer ermöglicht Touristen ein Eintauchen an der Seite von Einheimischen in ein entspanntes, typisch karibisches Alltagsleben – gerade, wenn man auf dem Land in einer Privatunterkunft (casa particular) wohnt. Die andere hält Visionen, neue Strukturen und eine gesunde Portion Aufbruchsstimmung bereit. Während die erste Kammer eine ruhige Atmosphäre zwischen spanischer Kolonialzeit und den 50er Jahren vermittelt, pocht und hämmert es in Neubauten der zweiten Kammer – sie drückt aufs Tempo.
Das geglückte Face-Lifting der „Grand Dame Havanna“ zeugt davon: Kaum ein Tag vergeht, an dem in der Hauptstadt nicht aus einem einst stark sanierungsbedürftigen Haus ein Restaurant, eine Wohnung oder Bar entstanden ist. Zu den Aufsehen erregendsten (Wieder-)Eröffnungen der letzten Monate gehört die Cocktail-Bar „Sloppy Joe’s“, in der schon Hemmigway gerne mit Erol Flynn bis tief in die Nacht feierte. Auch die Fusion-Küche im Dachrestaurant des Hotels Iberostar Parque Central, serviert am Pool, mit Blick auf das Kapitol und die Altstadt, kann sich sehen lassen. Sie wird selbst Feinschmecker überraschen. Gehämmert und gebohrt wird mit Ehrgeiz vor allem im westlichen und neuerdings auch im zentralen Kuba mit seinen 11 Millionen Einwohnern.
Kubas wundervolles Lächeln
Bei allen großen touristischen Entwicklungen spürt man aber eines deutlich: Trotz des manchmal beschwerlichen Alltags auf Kuba zeigen viele Einheimische ein wundervolles Lächeln – die Lebensfreude ist ihnen nicht abhanden gekommen. Die Freude am Feiern auch nicht. Und: Sie haben noch Zeit für einander. Letzteres ist in unserer modernen Industriewelt zum Luxusgut geworden. Deshalb hat Kuba hat das im Überfluss, woran es Gesellschaften in wirtschaftlich prosperierenden Ländern meist mangelt: Ausreichend Zeit für Familie, Freunde und den Partner. Zeit zur Erholung, für Muße und zum Nachdenken. Und weil Zeit und Ruhe wie Geschwister sind, geht es auf der Antillen-Insel auch so entspannt zu: Sich hetzen? Wozu? Der Bus kommt, wenn er kommt. Gespräche wegen eines Termins abwürgen?
Wie unhöflich! Sinne werden hier nicht von Reklame, sondern höchsten mit Rum und Rüschen aus der Tropicana-Show überflutet. Selbst auf den Autobahnen gibt es keine Hast. Neben Pferdekutschen und Radfahrern gleiten die legendär geflickten Oldtimer lässig dahin. Drängelnde Autofahrer wie hierzulande, die man fast mit ihrer Stoßstange im eigenen Kofferraum fühlt, sind auf Kuba ein unbekanntes Phänomen. Ebenso wie das zivilisatorische Erschöpfungssyndrom “Burnout“, das für die Politik, Wirtschaft und das Gesundheitssystem vieler europäischer Länder eine steigende Herausforderung bleibt.
Wohltuendes Kontrastprogramm
Kuba wirkt auf nicht wenige Besucher wie ein wohltuendes Kontrastprogramm zu ihrer schnelllebigen, technikorientierten Heimat – Kuba ist wie Wellness für ihre Seele. Bereits nach wenigen Tagen Aufenthalt auf der Antillen-Insel passen sich viele Reisende der karibischen Lebensweise an – was zugleich bedeutet, eine Zeit lang frei von ständigem Handyempfang zu leben. Erleichtert stellen dann so manche fest: Es geht im Urlaub auch ohne Smartphone, Blackberry und Co. – und noch viel besser ohne Leuchtreklame, Casinos, Slot-Machines, Juweliergeschäfte und Shopping-Malls. Das unterscheidet Kuba von so manch‘ anderer hübscher Karibik-insel. Paradiesisch entspannend, finden Touristen. Nicht zuletzt deshalb steht bei Ihnen Kuba hoch im Kurs. Aufgrund ihres eigenen Weges stellt die sozialistische Insel für viele Besucher eine anachronistische Welt dar, die sie so kennenlernen wollen, „wie sie jetzt noch ist“ – und bevor sie so wird wie die ihre.
Kubas Trumpf: Internationaler Tourismus
Das genau ist Kubas Trumpf: Knapp drei Millionen ausländische Gäste (2,83 Mio.) besuchten im vergangenen Jahr das Eiland, berichtete Kubas Tourismusminister Manuel Marrero Cruz auf der diesjährigen, internationalen Reisebranchen-Messe FIT Cuba in Varadero. Dies entspreche einem Plus von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hinzu kommen für das Jahr 2012 nach Angaben des kubanischen Statistikamts ONE knapp 1,4 Millionen inländische Touristen. Möglich ist den Inselbewohnern der Urlaub im eigenen Land meist durch die finanziellen Zuwendungen ihrer im Ausland lebenden Verwandten. Aber auch einige der bislang 400.000 Kleinunternehmer Kubas (cuentapropistas) zählen bereits zu den ersten Inlands-Urlaubern. Hauptsächlich sind dies Handwerker, Vermieter von Privatunterkünften, Taxifahrer, Gastronomen oder auch Bauern, die inzwischen ihr Obst, Gemüse oder den Kaffee direkt an die Hotels liefern dürfen.
Kuba folgt seinem eigenen Rhythmus, schläft aber bestimmt nicht
Diese Zahlen zeugen vom derzeitigen Boom der kubanischen Tourismuswirtschaft und der Beliebtheit der Zuckerinsel als Reiseziel. Doch auch wenn Kuba sicher aus dem Kollaps der Sowjetunion seine Schlüsse gezogen hat und daher seinem eigenen Rhythmus folgt: Von Stillstand kann auf der Insel keine Rede sein. Das wird nicht nur in Havanna, sondern auch anhand der Entwicklung des Badeorts Varadero deutlich, wo in mittlerweise 50 Hotels knapp die Hälfte der Kubabesucher ihren Urlaub verbringen. Man kann bei den beiden Herzkammern Kubas „von einer ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ sprechen“, sagt der Münchner Soziologe Dr. Jürgen Kagelmann, der mit diesem kulturtheoretischen Begriff unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten innerhalb der Insel-Gesellschaft umschreibt: „Während das Leben auf Kuba im Großen und Ganzen noch beschaulich-karibisch abläuft, nimmt die Geschwindigkeit in einzelnen Regionen und Sektoren quantensprungartig zu“.
Der Grund für dieses Phänomen liegt für den Experten auf der Hand: „Da Kuba voll im Trend liegt und der Tourismus für die Karibik-Insel eine der Hauptdevisenquellen ist, setzt man auf einen Ausbau dieses Wirtschaftszweiges. Gleichzeitig gibt es noch viele Regionen, die erst noch binnenwirtschaftlich und infrastrukturell erschlossen werden müssen“. Es sei des Weiteren zu begrüßen, dass der kubanische Staat seine Ausgaben für Nahrungsimporte zunehmend senkt und dadurch die eigene Landwirtschaft stärkt. Bislang musste ein Großteil der touristischen Einnahmen für Lebensmitteleinkäufe reinvestiert werden.
Nach Einschätzung des Sozialforschers könnte die derzeit noch bestehende Doppelwährung Peso Convertible (CUC)/Peso Nacional soziale Unterschiede im Land vertiefen. Denn die einen haben Zugang zu Devisen, die anderen nicht. Meist werden Gehälter in Peso Nacional ausgezahlt, aber die die wesentlichsten Güter für den Alltag und Haushalt kann man nur in CUC kaufen. Deshalb sieht er es als positiv an, dass die kubanische Regierung an einer Vereinheitlichung der Währung arbeitet – was sicher kein Ereignis, sondern ein aufwändiger Prozess sein wird.
Neue Condor-Strecke nach Zentralkuba
Reisende mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen können bereits jetzt von den touristischen Neuerungen in Kuba profitieren. So weitet die deutsche Charter-Airline Condor zum Winter 2013/14 ihr Flugangebot aus, und offeriert erstmals seit sechs Jahren wieder Langstreckenflüge ab Bayern. Neben der neuen Verbindung von München nach Santa Clara in Zentralkuba wird der Ferienflieger auch die Zahl seiner Flüge nach Havanna erhöhen. Manche Medien sehen darin bereits einen „Beitrag zum Revolutionstourismus“, zumal sich in Santa Clara das Mausoleum, das Museum und Monument für Ernesto Che Guevara und seine Mitkämpfer befinden.
Andere bewerten dies als Stärkung des Verkehrsknotenpunktes sowie Wirtschafts- und Agrarzentrums Santa Clara, in der Provinz von Villa Clara. In der Eröffnung der neuen Strecke sieht der Wissenschaftler Dr. Kagelmann einen Vertrauensbeweis in das touristische Potential Kubas und dessen hohe Sicherheit für Reisende.
Topes de Collantes: Wanderwege und Wasserfälle
In nur etwa eineinhalb Stunden Fahrt ab dem neuen internationalen Flughafen von Santa Clara führt der Weg in die Gebirgswelt und Naturparks der „Sierra de Escambray“. Mehrere, landschaftlich sehr reizvolle, Gebiete empfangen hier Wanderfans: der Park Altiplano mit den Wasserfällen von Caburní und Vegas Grandes sowie die Wege Jardín de los Gigantes und La Batata auf etwa 800 Höhenmetern. Der Park Codina erwartet Besucher mit einen magischen „Pflanzen-Teppich“ auf etwa 900 Höhenmetern. Wanderanfänger dürfte der Park Guanayara mit einfachen Wegen auf 400 Höhenmetern erfreuen.
Eine prachtvolle Blumenwelt entlang kleiner Flussläufe bietet der Park El Cubano auf 300 Höhenmetern. Alle Wanderwege sind auf gut ausgebauten Pfaden leicht zu erkunden. Reizvoll ist auch die Möglichkeit zu längeren Pferdeausritten mit anschließendem Lunch. Auch außerhalb der Region „Topes de Collantes“ lockt eine anmutige Natur Aktiv-Urlauber und Angler: Die Wasserfälle im Park El Nicho laden mit ihren Kaskaden nach schweißtreibenden Erkundungstouren zum Baden ein und der große Hanabanilla-Stausee zum Forellenfischen.
Cienfuegos: Hot-Spot für Segler
Da nahe der Südküste gelegen, bietet sich hier auch ein Tagesausflug oder Aufenthalt in der UNESCO-geschützten Kolonialstadt Trinidad an, die mit ihrer Vielfalt an traditionellen Musikhäusern das Herz jedes Son- und Salsa-Fans höher schlagen lassen dürfte. Cienfuegos, die „Stadt der 100 Feuer“ wie sie gelegentlich genannt wird, ist nicht nur ein idealer Ausgangspunkt für wahrlich traumhafte Segeltouren zu den Revieren „Cayo Largo“ und „Jardines de la Reina“. Sie hat auch einen Yacht-Club, integriert in einer sehr gut erhaltenen Fin-de-Siècle-Villa, der mit aromatischen Fischgerichten und einem romantischen Hafenblick in der Abenddämmerung lockt.
Schwangere Madonna in Remedios
Darüber hinaus stehen in diesem Jahr die 500 Jahr-Feiern für die bislang von Touristen zu wenig beachteten Städtchen Remedios und Bayamo bevor. Der Kirchenaltar der „Iglesia San Juan Bautista“ in Remedios dürfte zu schönsten Lateinamerikas gehören. Desweiteren überrascht darin eine seltene, kleine Marienskulptur: die „schwangere Madonna“. In den Straßen von Bayamo sieht man wenig Autos, aber dafür viele Pferdekutschen. Fast alle bewegen sich hier so fort, was zum entspannten Flair des Orts beiträgt. Bayamo ist ein gutes Beispiel für das unverfälschte, typisch karibische Alltagsleben auf der Zuckerinsel. Remedios und Bayamo dürften Entdeckernaturen begeistern. Beide Städtchen lassen sich ab Santa Clara bereisen – besser als bisher über Havanna oder Varadero.
Der Yachthafen Marina Varadero – ein Novum auf Kuba
Im Westen Kubas stellt die neue Marina Varadero, rund 140 Kilometer westlich von Havanna, eine Neuheit dar. Am Ende der Halbinsel von Hicacos gelegen und geschützt vor den hier vorherrschenden nordöstlichen Winden, verfügt der größte touristische Hafen der Insel über mehr als tausend Liegeplätze, Shops und technische Dienstleistungen für Bootsbesitzer. Das Luxushotel „Melia Marina Varadero“ mit 423 Zimmern gehört dazu, wie auch 126 Apartments. Viele davon sind Eigentumswohnungen, die für segelbegeisterte Langzeitgäste gedacht sind – und neuerdings von Ausländern erworben werden können. Der Joint Venture zwischen dem kubanischen Reiseveranstalter Gaviota und der spanischen Hotelgruppe Melia ist die bisher größte Investition auf der Antillen-Insel in eine Marina.
Nur 15 Kilometer von Varadero entfernt, entsteht in Kürze, erstmals seit 1959, ein neuer 18 Golf-Lochplatz, mit Residenzen und Apartments. Ein Zeichen, dass man in Varadero künftig nicht nur Badeurlauber ansprechen will.
Neues gibt es natürlich auch aus Havanna zu berichten: Ihre malerische Bucht wird bald, in neuer Pracht, nur noch touristischen Zwecken dienen. Denn im Joint Venture mit einem brasilianischen Partner will der kubanische Staat den kommerziellen, bisher in der Altstadt befindlichen Hafen, 30 Kilometer westlich in das Städtchen Mariel verlegen. Der neue Frachthafen sowie ein dazu gehörender Industriepark von 465 Quadratkilometer Fläche befinden sich kurz vor der Fertigstellung. Er wird der wichtigste Güter-Hafen des Landes und zugleich eine Freihandelszone sein. Die Sonderwirtschaftszone verspricht ausländischen Investoren Steuervorteile, mit einer Dauer von bis zu zehn Jahren.
Die Modernisierungen der kubanischen Tourismuswirtschaft sind damit noch nicht abgeschlossen: Kuba hat in diesem Jahr drei neue Flugzeuge für die Inlandsstrecken der Airline „Cubana de Aviación“ erworben. Die Maschinen für 97 Passagiere bedienen seit Mai die Route Havanna-Guantánamo und Havanna-Santiago. Kuba lockt ausländische Investoren ins Land und wird im Jahr 2020 mit mehr als 85.000 Zimmern Gäste empfangen können.
Das macht insgesamt deutlich, dass mit den begonnenen Wirtschaftsreformen vor sechs Jahren ein Hauch von Luxus nach Kuba zurückgekehrt ist. Experten gehen davon aus, dass Kuba touristisch gut aufgestellt und wettbewerbsfähig sein will, für den Tag X, wenn die Reisebeschränkungen für US-amerikanische Staatsbürger fallen sollten. Denn dann könnten rund fünf Millionen zusätzliche Besucher die bisherigen jährlichen Tourismuseinnahmen von umgerechnet 2,6 Milliarden US-Dollar noch um einiges aufstocken. Europäische und kanadische Joint-Venture Partner dürften in diesem Fall die Profiteure des nächsten Tourimus-Booms sein, der dann nur knapp 90 Meilen vor der US-Küste stattfindet.
Dennoch steht eines fest: Bei allen Neuerungen ist das wichtigste Luxusgut auf Kuba immer noch, dass man Zeit für andere hat: Für die Familie, ein Schwätzchen mit der Nachbarin oder für ein spontanes Tänzchen – egal ob bei Freunden oder beim Warten auf den Bus. Denn Kuba ist wie ein Herz, dessen polare Kräfte ergänzend zusammenwirken und auf die Zukunft ausgerichtet sind.
Infos über Kuba:
Kubanisches Fremdenverkehrsamt: www.cubainfo.de
Kuba- Reisespezialist: Cuba Star Travel, www.cubastartravel.com
Fluggesellschaft: Condor, www.condor.com
Hotels:
Iberostar Parque Central, www.iberostar.com
Melia Varadero, http://de.melia.com/hotels/kuba/varadero/melia-marina-varadero/index.html
Hotel Hanabanilla, www.hotelhanabanilla.com
Segeln in Cienfuegos:
Platten Sailing: www.platten-sailing.de
K+HP Yachtcharter: www.khp-yachtcharter.de
Master-Yachting: www.master-yachting.de
Argos Yachtcharter: www.argos-yachtcharter.de
Bar: Sloppy Joe’s: www.sloppyjoes.org