Eine, die sich mehr traut

„Unvernünftig und viel zu gefährlich“, erzählt Karin Holst, habe ihr jeder das Motorradfahren ausreden wollen. Wie respektlos mag es seinerzeit gewesen sein, als sie es wagte, als Sozia mitgenommen zu werden. Wie oft wurde sie gewarnt. Doch diese Fahrt sollte ihr Leben gänzlich umkrempeln. Am Ende eines berauschenden Tages fasst sie den Entschluss: Das Motorradfahren ist meine Bestimmung. „Und ich wollte auf-Teufel-komm-raus selbst fahren“, erinnert sich die damals 33-jährige. „Nur schmückendes Beiwerk für einen Mann sein, dass war noch nie mein Stil“.

Den Führerschein machte sie im Sommer 1995. Weil das Geld knapp war, zog sich das den ganzen Sommer hin. Und auch ihre Erstausstattung bestand aus lauter gebrauchten Sachen. Den kollektiven Aufschrei ihrer Familie ignorierte sie. Als dann ein Jahr später die erste Maschine angeschafft wurde – eine 600er Bandit von Suzuki – war sie nur noch unterwegs. „Ich lernte den Pfälzer Wald genauso auswendig wie den Odenwald, trieb mich tagelang im Schwarzwald herum und erforschte das Elsass.“

Sie tauschte ihre Liebe gegen eine Hayabusa
Als sie 1999 der Liebe wegen nach Bayern zog war sie mehr in den Alpen unterwegs als bei ihrem Liebsten daheim. Dass mit dem Kauf einer Suzuki Hayabusa auch schlussendlich ihre Partnerschaft endete, hat sie schweren Herzens akzeptieren müssen. „Die Hayabusa hatte ich dann noch fast zehn Jahre“, erzählt sie uns im Café. Ebenso, dass in der Folge noch mehr als eine Beziehung an ihrem Hobby scheiterte. „Hobby?“, fragen wir nach. Sie spricht dann doch lieber von einer Leidenschaft.

Es ist dann doch eine passendere Beschreibung ihrer außergewöhnlichen Geschichte, die im Laufe der Zeit ihr ganzen Leben bestimmen sollte. Als sie sich schließlich im vergangenen Jahr eine KTM 950 Adventure kaufte – mit mittlerweile 47 Jahren – ging ihr Traum von Unabhängigkeit in Erfüllung. „Mit meiner großen Enduro bin ich nicht mehr an die Zivilisation und an feste Straßen gebunden“, erzählt sie. Getreu ihrem Motto: „Brave Mädchen kommen in den Himmel, die anderen kommen überall hin“

Jetzt konnte sie Landschaften erreichen, die ihr vorher nicht zugänglich waren: die französischen Seealpen, Ligurien, das Piemont, die Gebirge der Toskana – Sehnsucht pur für eine Tankfüllung. Nutzte sie anfangs noch Atlas und Straßenkarte, folgt sie heute ihrem Navi. Auch wenn sie noch immer „nur“ in Europa unterwegs ist, die Touren werden exotischer, manchmal auch gefährlicher. Und ihre Leidenschaft hat ihren Preis. „Das darf niemand unterschätzen. Denn zwischen den Urlaubstouren muss die Maschine technisch gepflegt werden“, sagt Holst, um aber gleich zu relativieren: „Aber der Erlebniswert ist unbezahlbar“.

Fahrspass nur für Frauen
Dass sie ihre Leidenschaft mittlerweile mit mehreren Frauen teilt, macht sie stolz. Denn noch immer begegnet ihr das völlige Unverständnis darüber, wieso eine Frau das macht. „Gegenfrage: Wieso nicht?“, kontert sie und gibt sich selbst die Antwort: „Es macht mir Spaß!“. Und sie verdient sich mittlerweile damit einen Teil ihrer Kosten. Ihre kleine Firma „Motorradfahrspass für Frauen“ organisiert unter anderem Tagesreisen und Technikkurse für Bikerinnen.

„Den Spaß an der Sache möchte ich weitergeben. Ich möchte Mut machen, dass zu tun, was Frau will und was ihr Spaß macht“, beschreibt sie das Firmengeheimnis. Ihr liegt viel daran, praktisches Wissen besonders Anfängerinnen zu vermitteln. „Das halte ich für wichtig, wenn etwa gleich nach der Fahrschule ein Motorrad gekauft wird.“. Aber auch Wiedereinsteigerinnen will sie in deren Entschluss stärken, sich der Freiheit auf zwei Rädern zu ergeben.

Mit den Schrauberkursen für Frauen tritt sie im Übrigen dem Vorurteil entgegen, dass Frauen keine Ahnung von Technik haben. Zudem dienen einige technische Grundkenntnisse bei Pflege und Wartung der Sicherheit der Maschine. „Und sie sparen Geld – abgesehen vom Spaß, den wir dabei haben“.

Rechts und links die Freiheit
Seit drei Jahren bietet Karin Holst für engagierte Bikerinnen und die, die es werden wollen, geführte Motorradtouren an. Entweder idyllisch durchs Altmühltal, oder für erste Kurvenfahrten in den Bayerischen Wald. Für Fahrerinnen mit mehr Ambitionen hat sie auch Alpenpassfahrten im Programm. Auf Anfrage organisiert sie auch längere Fahrten durch Europa.

Ferner vermittelt sie in speziellen Technikkursen für Frauen das nötige Wissen für den sicheren Umgang mit dem Motorrad. Exklusiv auf www.drive-and-style.de erzählt sie in ihrer Kolumne von ihren Abenteuern, gibt praktische Tipps für Einsteigerinnen und macht Mut zum Selbstverwirklichen.

Weitere Infos: www.motorradfahrspass-fuer-frauen.com

Karin Holst wird regelmäßig exklusiv für active woman drive&style schreiben.

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