Ein Hauch von Cannes in Istanbul

Während Boote, Kreuzfahrtschiffe und Fähren Wellen schaffen, die an die Kaimauer platschen, sitze ich in einem akkurat gepflegten Garten am asiatischen Bosporus-Ufer und genieße die kontrastreiche Skyline Istanbuls fern vor mir. Umschlungen von einer kuscheligen, federleichten Decke ersetzt mir ein Buch jeden touristischen Trubel auf der gegenüberliegenden, europäischen Seite. Kuppeln, Hochhäuser und Muezzin-Türme sehe ich drüben. Sie sind eingetaucht in ein orangefarbenes Licht, das sich während des Abends immer mehr in Purpur verwandelt. Magisch der Anblick, doch mich zieht es nicht dorthin. Mein „Abenteuer“ ist es diesmal, die Ruhe Istanbuls zu entdecken. Im kleinen Hotel „Sumahan on the Water“ habe ich sie gefunden. Jedes seiner 24 Zimmer und Suiten gibt den Blick frei auf den Bosporus. Morgens sehe ich vom Bett aus der Sonne zu, wie sie das gegenüber liegende Viertel Kuruçeşme in ein zartes Rosa hüllt. Vormittags entsteht das Gefühl, an einem Seebad zu sein: Möwen umkreisen Fischerboote, Schiffsgeräusche schwappen den ganzen Tag zu den lesenden Gästen in den Garten herüber. Abends gehe ich Tapas (Appetithäppchen) essen, mache es mir bei einem Glas Tee am Kamin gemütlich und anschließend geht es in den Hamam (türkisches Dampfbad). Das alles ist auf kürzestem Wege nicht nur innerhalb des Hotels, sondern in meinem Zimmer und so mancher Suite möglich.Kurzum, das Hotel „Sumahan on the Water“ ist ein kleines, am Wasser gelegenes Juwel, das die bemerkenswerte Ruhe aus einer anderen Zeit in die heutige transportiert hat. Es befindet sich im pittoresken Stadtteil Cengelkoy. Hier besaß einst die Istanbuler Oberschicht ihre prächtigen Sommervillen aus Holz. Und hier ging der Sultan zur Jagd oder er genoss abends am Bosporus ein wenig Hochprozentiges, das er sich nahe der gleichnamigen Brücke produzieren ließ: das türkische Nationalgetränk Rakı, das manche selbst heute noch nur als „Medizin“ bezeichnen. Wo heute Gäste aus aller Welt wohnen, weil ihnen im „Sumahan on the Water“ das Flair zwischen puristischem, westlichen Design und osmanischer Gemütlichkeit behagt, wurde im 19. Jahrhundert Rakı für den Herrscher hergestellt. Nach dem Niedergang des Osmanischen Reiches im frühen 20. Jahrhundert stand das Fabrikgebäude lange leer. Vor zehn Jahren machten sich seine Erben, ein türkisch-amerikanisches Architekten-Paar, einen Traum wahr und hauchten ihrem historischen Besitz mit ausgeklügeltem Design wieder neues Leben ein.Besonders ist nicht nur das familiengeführte Hotel, besonders ist auch seine Lage. Es erfreut nicht nur mit charmanten Innen- und Außenperspektiven, sondern mit auch mit kurzen Wegen. Ankommen, Ausruhen, Entspannen wird so für Istanbul-Besucher zum Programm. Zum angrenzenden, mediterranen Restaurant Tapasuma sind es zum Beispiel nur ein paar Schritte durch den Garten. Wer auf seiner Terrasse eine Weile in der Sonne oder bei Mondschein am Wasser sitzt, wird beobachten, wie Boote von der anderen Uferseite regelmäßig herüberkommen. Deren Gäste spazieren sozusagen direkt vom Steg zum Esstisch. Oder wie das hauseigene Boot Restaurant- und Hotelbesucher über den breiten Bosporus fährt. Und auf einmal kommt ein Hauch von Cannes auf: Gut gekleidete und juwelengeschmückte ältere Damen kommen mit eigenem Skipper zum Mittagessen. Einheimische Pärchen treffen sich zum Tête-à-tête. Scheichs schippern mit ihrer Yacht zum Dinner vorbei. Neben ihnen sitzen Gäste aus Deutschland und der USA. Summa summarum offenbart der Blick ins Restaurant einen harmonischen Melting Pot (Schmelztiegel), der den Charakter Istanbuls widerspiegelt: Moderne trifft Tradition, Eleganz verschmilzt mit orientalischer Behaglichkeit, Weltoffenheit vereint Kontraste. Ein Highlight des Tapasuma ist seine acht Meter lange Marmor-Bar, auf der türkische Vorspeisen (Mezze) im Tapa-Stil angeboten werden. Dieser Name entstand aus der Kombination der beiden Wörter „tapa“ und „suma“, die die historische Identität des einstigen Fabrikgebäudes unterstreichen. „Tapa“ bedeutet so viel wie das Flaschenkorken, während „Suma“ die Destillation von Rakı bezeichnet. Küchenchef Gökay Çakıroğlu zaubert auf die Teller einen farblich und formal als Kunstwerk angerichteten Mix aus türkischer und mediterraner Küche. Saisonale Fischgerichte gehören ebenfalls zu seinem Repertoire.Wenn ein Gast nach so viel Wohlgefühl und Entspannung wieder ein wenig unter die Leute gehen will, wird er mit der hoteleigenen Fähre zum anderen Flussufer nach Kabatas oder Arnavutköy gebracht. Es ist eine stilvolle Alternative zum tosenden Verkehr auf der euro-asiatischen Brücke Boğaziçi Köprüsü. Trotz ihrer schlanken Konstruktion, enormen Spannweite und zauberhaften, abendlichen Beleuchtung wirkt sie eine Zentrifugalkraft wirkt, deren Sog Menschen aus dem asiatischen und europäischen Teil Istanbuls zu Massen verquickt. Auf der europäischen Seit steppt der Bär besonders stark: Museen, Märkte und Moscheen ziehen Besuchermengen an und lassen andere im gleichen Atemzug wieder herausströmen. Hier wird nach Herzenslust morsezeichenmäßig aus Autos gehupt, auf dicht gedrängten Boulevards flaniert und geshoppt – Feilschen ausdrücklich erwünscht. Wer sich zwar amüsieren, aber dem Straßengedränge ausweichen möchte, lässt sich am besten direkt zum Steg des bekanntesten und prominentesten Nightclubs Istanbuls schippern. Dieser toppt vieles, was wir aus Europa kennen: „Reina“ ist sein Name und er befindet sich im historischen Stadtviertel Ortaköy. Der Club, der zwei Fußballfelder-Flächen füllen könnte, überrascht mit seiner Modernität, Cocktails und seinen Preisen. Aber die ist man angesichts dieser bombastischen Lage unter freiem Sternenhimmel und der funkelnden Bosporus-Brücke gerne bereit zu zahlen. Das ist im mondänen Istanbul nicht anders als in Cannes. Informationen:Anreise: Unter anderem verbinden die Fluglinien Condor, Lufthansa und Turkish Airlines Deutschland direkt mit Istanbul.Wohnen:Boutique-Hotel „Sumahan on the Water“: Eine Übernachtung kostet hier in der Nebensaison bei Doppelbelegung ab 175 Euro pro Person. Ein hoteleigenes Boot holt die Gäste an der Haltestelle Kabatas im europäischen Teil Istanbuls ab. Mehr Informationen unter: www.sumahan.com oder telefonisch bei Frau Berna Cakir in Englisch unter +90 216 422 8000.Essen: Türkisches Tapa-Restaurant „Tapasuma“: www.tapasuma.comFeiern: Bar & Nightclub Reina: www.reina.com.tr/enBootsfahrten auf dem Bosporus: Von Eminönu auf der europäischen Seite schwärmen reichlich Fähren zum asiatischen Ufer und zu Bosporusrundfahrten aus.Türkisches Fremdenverkehrsamt: www.tuerkei-tourismus-kultur.de

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