Die Türen, zum Himmel

Seit im vergangenen Monat im englischen Woking die neue, rund 40 Millionen Pfund teure Produktionsstätte McLaren Production Centre (MPC) eröffnet wurde, seit dem steigt der Puls der Enthusiasten von Supersportwagen. Dort nämlich produziert McLaren Automotive den 12C, ein Zweisitzer mit 600 PS und Straßenzulassung. McLaren, dessen Gene bisher ausschließlich auf der Rennstrecke geprägt wurden, ist damit jüngstes Mitglied im Kreise internationaler Fahrzeughersteller. Denn die Briten beabsichtigen, den MP4-12C in für Supersportwagenhersteller hoher Stückzahl zu produzieren.

Damit dürfen sich in diesem Jahr noch rund 1.000 Kunden auf ihr Exemplar freuen. Sobald das neue McLaren Production Centre vollständig in Betrieb genommen ist, plant das Unternehmen, bis zur Mitte des Jahrzehnts die Produktion im gesamten Modellspektrum auf bis zu 4.000 Fahrzeuge jährlich zu erhöhen. Das entspricht drei bis vier Prozent des jährlichen Weltmarktes für Sportwagen der Premiumklasse.

Sehr leicht, sehr sicher
Bei der Konstruktion des MP4, dessen Kürzel im Übrigen auf die Fusion von McLaren mit der Project 4 Organisation von Ron Dennis hinweist, haben die Ingenieure ihr Augenmerk vor allem auf den Leichtbau gelegt. Karosseriepaneele aus ultradünnem Kohlefaserlaminat, die kompakte Bauweise, eine Leichtbauverbundbremsanlage mit hohem Aluminiumanteil sind wesentliche Details, dank dessen das Gewicht des Wagens bei knapp 1.400 Kilogramm liegt.

Das Besondere am Fahrzeug aber ist das extrem verwindungssteife Kohlefaser-Monocoque, mit dem den Konstrukteuren in zweierlei Hinsicht Beachtliches gelang: Es ist das weltweit erste für Serienfahrzeuge gefertigte MonoCell, und es kommt nach nur knapp 3,5 Stunden aus der Presse – samt den aus Aluminium bestehenden Anbaustützen. Das einzigartige Fertigungsverfahren hat McLaren gemeinsam mit der Österreichischen Firma CarboTech entwickelt und es verschafft dem Hersteller einen erheblichen Zeitvorteil. Bisher waren nämlich mehrere Tage nötig, um die Kohlefasern in Form zu bringen. Darüber hinaus können selbst komplexe Strukturen wie etwa Hohlräume in einem Stück gefertigt werden. Und das mit einer Fertigungstoleranz von unter 0,5 Millimetern.

Der Maximalwert-Motor
Die Sicherheitszelle bietet dabei nicht nur größtmöglichen Schutz bei einem Crash. An dessen Heck haben die Ingenieure auch einen Rahmen montiert, um den kompakten Hochleistungsmotor dort anzuschrauben. Der von McLaren entwickelte aber bei Ricardo produzierte Doppelturbo-V8-Motor mit 3,8 Litern Hubraum schafft eine maximale Leistung von 608 PS und beschleunigt den Wagen damit auf mehr als 330 Kilometer pro Stunde. Um aber die 200 km/h-Marke zu streichen, vergehen gerade mal neun Sekunden. Ein Wert, der den 600 Newtonmetern geschuldet ist. Aber auch der Tatsache, dass schon ab einer Drehzahl von 2.000/min etwa 80 Prozent des maximalen Drehmoments anliegen.

Um diese Werte zu erzielen, haben die Entwickler tief in die Technikkiste gegriffen. So lädt pro Zylinderbank ein Turbolader den längs eingebauten Mittelmotor auf, dessen Block aus Aluminium gefräst wurde. Die Kurbelwelle gestalteten sie als sogenannte flat-plane-Kurbelwelle, um mit geringeren Ausgleichsgewichten auszukommen. Heraus kam ein nur 199 Kilogramm schwerer Motor, der laut Hersteller bei moderater Fahrweise mit nur 11.7 Liter pro 100 Kilometer auskommt. Passend zum M838T-Motor, so lautet die interne Bezeichnung, gibt es eine Doppelkupplung mit sequenziellem 7-Gang-Getriebe (SSG) von Oerlikon Graziano.

Schneller Schalten als Denken
Als weiteres Tribut an Supersportwagen wurden Schaltwippen hinters Lenkrad angebracht. Ein leichter Druck genügt, und schon aktiviert die Pre-Cog genannte Funktion die Kupplung. Es gibt praktisch keine Verzögerung mehr zwischen der Aufforderung zum Gangwechsel und dem Gangwechsel selbst. Doch das SSG-System bietet noch einen weiteren Clou: Wird die linke Schaltwippe beim Bremsen nicht geklickt, sondern gedrückt gehalten, passt das Getriebe die Motorgeschwindigkeit an den richtigen niedrigsten Gang an. Dies ist für Fahrer gedacht, die in einer engen Kurve den Bremspunkt falsch einschätzen und beim Beschleunigen aus der Kurve nicht den optimalen Gang finden.

Doch es geht auch beschaulicher: Etwa dann, wenn am Active-Dynamics-Bedienfeld, findet sich in der Mittelkonsole, der Fahrmodus auf Normal gestellt wird. Neben Sport und Track einer von drei grundlegenden Eigenschaften des SSG-Getriebes. Über dieses Bedienfeld können auch weniger geübte Fahrer verschiedene elektronische Fahrwerkfunktionen wählen. Beispielsweise für Fahrten über Straßen mit geringer Bodenhaftung oder bei schlechtem Wetter. Dann allerdings genügen die 123 Meter Bremsweg nicht, die McLaren angibt, den Wagen von 200 Kilometer pro Stunde auf Stillstand zu bringen.

Deutschland ist Supersportwagen-Land
Wer nun aber die Leistung des rund 200.000 Euro teuren MP4-12C testen möchte muss sich gedulden. Weltweit sind bereits 1.500 Kaufaufträge abgeschlossen – 3.500 bekundeten auf der Webseite www.mclarenautomotive.com ihren Kaufwillen. Doch jährlich werden eben nur 1.500 Fahrzeuge gebaut. Vorfreude ist dennoch berechtigt. Soeben erhielt in München – mit der F1-Sportwagen GmbH – der dritte deutsche Händler seine McLaren-Zulassung, in Kürze kommt in Frankfurt ein weiterer Repräsentant dazu. Dann hat Deutschland mit Hamburg und Düsseldorf vier Vertretungen für den McLaren – mehr als England.

Mit gutem Grund: Deutschland gilt als drittgrößter Absatzmarkt für Supersportwagen und Süddeutschland als Vorzeigeregion. Allerdings dürfen sich die vier deutschen Händler nur etwa 100 Fahrzeuge der laufenden Produktion teilen. Eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass sich weltweit über 600 Autohäuser um einen Händlervertrag mit McLaren bemüht haben. Zwar wird parallel zur Erweiterung der McLaren Modellpalette das Händlernetz bis 2015 mit weltweit 75 Händlern weiter ausgebaut. Doch lange Lieferzeiten müssen in Kauf genommen werden. „Es ist wichtig, dass man auf dieses Auto auch warten muss“, sagen Liebhaber und sprechen von Vorfreude denn von Lieferzeit. Zwar fahren sie das Auto auch, doch ist es in erster Linie ein Sammlerstück.

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