Das Ziel der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 eine Millionen Elektroautos auf die Strasse zu bringen, ist ermutigend, ernüchternd dagegen die Tatsache, dass heute erst rund 2.300 Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb in Deutschland zugelassen sind. Lange Zeit haben einige führende Industrielle nur hinter vorgehaltener Hand dieses Ziel der Kanzlerin in Frage gestellt. Mit Jürgen Hubbert, dem ehemaligen Vorstand der Daimler AG, hat nun eine gewichtige Persönlichkeit mit klaren Worten offen Stellung bezogen. Die Vorgaben sind seiner Einschätzung nach nahezu unrealistisch. „Gelingt es nicht, den Kunden vom Kauf zu überzeugen, werden wir weit hinter diesem Ziel bleiben“, sagte er anlässlich des zweiten Auto, Motor und Sport Kongresses in Stuttgart.
Auch wenn die Bundesregierung 500 Millionen Euro für die Entwicklung der Elektromobilität aufbringt. Vor dem Hintergrund der Milliarden, die Automobilhersteller und Energieerzeuger bereits in den Aufbau und Ausbau alternativer Konzepte investieren, erscheint die Summe sehr bescheiden. Vor allem auch in Relation zu den fünf Milliarden Euro, wie sie für die Verschrottungsprämie bereitgestellt wurden. Zwar wurde vordergründig bezweckt, kurzfristig die Konjunktur zu beleben. Es schwang aber auch die Hoffnung mit, alte Vehicel durch neue Modelle mit modernen Motoren, die weniger Verbrauchen, zu subsumieren. Das allerdings bezweifelt Hubert: „Es hat keinen, aber auch gar keinen substanziellen Beitrag geleistet für die Mobilität der Zukunft“, sagt er.
Angst vor der Versorgungslücke beim Strom
Kritische Stimmen gibt es aber auch zur Elektromobilität. Vor rund 400 Gäste aus Fahrzeug- und Energieindustrie, von Verbänden, Wirtschaft und Politik mahnte der ebenfalls in Stuttgart anwesende EU-Kommissar für Energie Günther Oettinnger, dass “bei dem derzeitigen Energiemix bei der Stromerzeugung ein Zwei-Liter-Diesel wohl umweltfreundlicher ist als ein Elektroauto“. Und er schickte umgehend eine Botschaft an die Autohersteller, sich neben dem Entwickeln bezahlbarer Elektroautos auch intensiv an der Energiedebatte zu beteiligen. „Es gilt eben auch, an die Versorgungssicherheit zu denken“, sagt RWE-Manager Marcus Groll mit Blick auf die Adhoc-Entscheidung zur Energiepolitik der Bundesregierung.
Groll verantwortet beim Energieerzeuger den Bereich E-Mobility und bemängelt das völlige Fehlen einer „langfristigen Perspektive". Zwar gelte dies vorrangig für die industrielle Fertigung, als weniger für den Privatverbraucher. Doch ein hoher Strompreis könnte sich auch auf die Akzeptanz neuer alternativer Mobilitätskonzepte auswirken. Heute aber sind es vor allem der hohe Preis, die geringe Reichweite und auch das Modelldesign, die den geneigten Kunden abschreckt.
Ob allerdings die Sportwagenmodelle von Tesla und Fisker künftig das Bild der E-Mobilität prägen werden, glaubt Markus Lienkamp von der TU München nicht. Er ist Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik und hält vielmehr Kleinlieferfahrzeuge für Gewerbetreibende wie auch für Kommunen für sinnvoll. Denn die lassen sich wirtschaftlich betreiben. Doch mit seiner Idee eines speziellen Stadtautos heizt er die Diskussion um eine künftige urbane Mobilität kräftig an.
Abkehr vom Reichweiten-Wahn
„Wir haben mit dem Mute ein Elektroauto für zwei Personen und einen großen Kofferraum entwickelt“, sagt Lienkamp und zählt weitere Besonderheiten auf. Maximale Reichweite: 100 Kilometer, Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h, eine Notfallbatterie, um Liegenbleiber zu vermeiden und ein Preis, der einem Auto mit Verbrennungsmotor entspricht. Damit ist der Zweisitzer, die zur IAA im September in Frankfurt gezeigt wird, viel leichter und einfacher konstruiert als die jetzigen Prototypen der Autohersteller. Und der Wagen fährt mit einer nur zehn kW-starken Batterie.
Lienkamp bemängelt nämlich, dass Elektroautos über derart große Batterien verfügen und zudem mit einer Lebensdauer von mehr als zehn, zwölf Jahren aufwarten. Lithium-Ionen-Batterien mit einer Lebensdauer von nur fünf Jahren sind für den Verbraucher günstiger. Zumal können diese in kürzerer Zeit durch neue, technologisch modernere Batterien ersetzt werden.
Stadtauto ja, Fünfjahres-Batterie nein. Vehement lehnt Michael Dick den Vorschlag Lienkamps ab. „Wenn wir ein Elektroauto anbieten, dann sicher kein Wegwerfauto“, sagt der Audi-Entwicklungsvorstand. Er setzt auf Lithium-Ionen-Batterien, die über die gesamte Laufzeit aktueller Fahrzeugmodelle die gleichbleibende Leistung abgeben. Der Audi Q5 ist dann auch das erste Auto, welches mit einer solchen Batterie an den Produktionsstart geht. Mit dem A1 e-Tron zeigt der Ingolstädter Autohersteller übrigens ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug mit einem kleinen Verbrennungsmotor als Rangeextender, auch um die Angst vor einem Liegenbleiben zu nehmen.
Die Elektromobilität lässt sich auch kaputt subventionieren
Trotz aller Fortschritte bei der Technik, Dick sieht in naher Zukunft keine nennenswerten Stückzahlen beim Verkauf. Das Wachstum aber wird kommen, wenn auch nicht linear. Den Absatz mit finanziellen Kaufanreizen zu beschleunigen, davon hält er allerdings nichts – ebenso wie Lienkamp. Es muss gelingen, die Produktion marktreifer Elektroautos wirtschaftlich darzustellen, erklären beide. Würden dem deutschen Verbraucher ähnliche Vergünstigen geboten wie in Frankreich oder in den USA – bis zu 7.500 Euro – wäre zwar die angepeilte Stückzahl von einer Millionen Elektroautos bis 2020 machbar. Doch befürchten sie, dass die E-Mobilität dann nicht nachhaltig wirtschaftlich sinnvoll ist.
Kritische Beobachter sehen derweil andere Kräfte am Markt, die ein künftiges Mobilitätskonzept entscheidend prägen. Zwar fristet mit etwa 73000 zugelassenen Erdgas-Fahrzeugen diese Antriebsalternative noch immer ein Schattendasein, doch sehen die führenden Autohersteller darin eine bezahlbare, vor allem aber eine technisch weit entwickelte Technik. Derzeit verursachen Erdgasautos mindestens 25 Prozent weniger CO2 und 95 Prozent weniger Stickoxide als vergleichbare Benzinautos. Grund für die Bundesregierung, diese Alternative langfristig als förderungswürdig einzustufen.
Strom aus Wasserstoff, der mit Strom aus Windkraft erzeugt wird
Heute profitieren fünf etablierte Autohersteller von der Förderung. Mit Audi könnte in naher Zukunft ein weiterer Anbieter hinzu kommen. Dick hat nämlich angekündigt, intensiver in das Thema einsteigen zu wollen. Experten zeigen sich dennoch verwundert, dass in der aktuellen Energiedebatte Gas eine so geringe Rolle spielt und alle auf das Elektroauto warten. Ein Grund war sicher, dass der Gasantrieb einen Tank benötigte, der den Kofferraum oftmals ganz ausfüllte. Mit einer flexiblen Tankarchitektur wie sie das Zulieferunternehmen Magna soeben vorstellte dürfte sich das Problem aber gelöst haben.
Doch welches Szenario erwartet die Branche, wenn ab 2050 keine Autos mehr in die Innenstädte dürfen, die fossile Energieträger verbrennen? So wie es ein Entwurfspapier der EU-Richtlinie anregt. Dann hat auch der Erdgasantrieb ausgedient. Bis dahin, hofft Dr. Wolfgang Reitzle, „hat sich Wasserstoff als Energieträger durchgesetzt“. Seit mehr als 20 Jahren protegiert er die Brennstoffzelle – seinerzeit als Entwicklungsvorstand bei BMW und heute als Chef des Linde-Konzerns. Das Unternehmen südlich von München ist Europas führender Hersteller von Industriegasen. Dazu gehört auch Wasserstoff.
Wie fortgeschritten mittlerweile die Brennstoffzellen-Technik ist, zeigen eindrucksvoll Erprobungsfahrten einiger Automobilhersteller. Mercedes etwa hat schon vor Monaten drei mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge rund um den Globus geschickt. Vor wenigen Tagen sind die B-Klasse-Modelle ‚down under‘ im australischen Perth angekommen. Auch Audi bekennt sich zum Brennstoffzellenauto und kündigt eine Modell-Entwicklung noch für dieses Jahrzehnt an. Und BMW betreibt im Rahmen seines Clean Energy Projektes einen 7er-BMW mit Wasserstoff. Allerdings verbrennen sie den Kraftstoff im Motor.
Vorausgesetzt, alle Forschungsfahrzeuge erreichen ihr Ziel, die Infrastruktur ist noch weniger weit entwickelt als bei Strom. Gerade mal 30 Wasserstoff-Tankstellen sind in ganz Deutschland in Betrieb. Dabei schaffen Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle heute schon Reichweiten von bis zu 400 Kilometern.
Intermodalität verschiedener Mobilitätskonzepte
Gelingt es aber, den im Norden der Republik durch Windkraft erzeugten Strom für die Elektrolyse von Wasserstoff zu nutzen, könnte die Branche auf regenerativem Wasserstoff zurückgreifen. Anstatt also das Horrorszenario durchzuspielen, eine Starkstromtrasse gen Süden zu bauen, kann der produzierte Wasserstoff zu einem gewissen Prozentsatz in das bestehende Erdgasnetz einspeisen.
Doch der Traum von einer gänzlich emissionsfreien Mobilität endet früh. Daimler-Chef Dr. Dieter Zetsche sieht für die kommenden Jahre eher einen Mix verschiedener Antriebstechniken auf den Straßen. Darunter sind auch Fahrzeuge mit auf maximale Effizienz getrimmten Verbrennungsmotoren. Auch wenn er sicher ist, dass Benzin auf lange Sicht nicht billiger wird.
Die Kosten für Batterien sieht er aber im Fallen: „Preise von 250 Euro pro Kilowattstunde sind bis zum Ende dieser Dekade realistisch“, sagt er. Derzeit wird mindestens dreimal so viel verlangt. Der nutzbare Nenn-Energie-Gehalt auf Zell-Ebene wird dann etwa 200 Wattstunden pro Kilogramm betragen. Ein ’smart‘, so rechnet er vor, käme dann mit einer Batterieladung etwa 250 Kilometer weit.
Allerdings muss er zugeben, dass der Verkauf von Elektroautos heute eher in homöopathischen Dosen verläuft. Obwohl der ’smart electric drive‘ im vergangenen Jahr das meist verkauft Elektroauto in Deutschland war. Es wurden gerade mal 150 Stück davon verkauft. Aber der Stuttgarter Autokonzern rüstet sich. Mit dem weltgrößten Zulieferer Bosch soll ein Joint Ventures entstehen, um künftig Traktionsmaschinen für reine Elektrofahrzeuge zu entwickeln, zu produzieren und zu vertreiben.
Das schüchterne Pflänzchen
Zugelassene Auto mit alternativem Antrieb
92.000 CNG-Autos (Entspricht 0,2 Prozent, nur fünf Hersteller)
37.000 Hybrid-Technik
2.300 Elektroantrieb
Eine B-Klasse umrundet die Welt
Drei mit Wasserstoff betriebene B-Klassen schickt Mercedes um die Welt. Der Autobauer will damit beweisen, dass dieser alternative Antrieb geeignet ist, künftig emissionsfrei im Alltag zu fahren. Dazu müssen insgesamt mehr als 30.000 Kilometer zurückgelegt werden – durch 14 Länder und 4 Kontinente.
Zahlen nach Energiegehalt
Die EU will Kraftstoff nicht mehr nach Volumen, sondern künftig nach Energiegehalt besteuern. Obwohl Autoindustrie und Bundesregierung gegen den Vorschlag Sturm laufen, weil in Deutschland der Diesel-Kraftstoff im Gegensatz zu den anderen EU-Ländern subventioniert wird und damit den Absatz von Dieselautos fördert, stellte sich Oettinger hinter den Vorschlag. "Die Grundidee ist richtig. Es geht nicht um den Liter, sondern den Energiegehalt und die CO2-Emission als ergänzenden Faktor." Daraus ergebe sich, dass Diesel wegen seines höheren Energiegehaltes um 17 Prozent höher zu besteuern sei als Benzin. Oettinger: "Der Vorschlag der EU ist gerecht. Deutschland muss in der Benzin-Besteuerung runter, damit die Diesel-Besteuerung de facto nicht steigt."
Bedrohlich attraktiv
Allein in China, Indien und Russland leben noch immer fast zweieinhalb Milliarden Menschen, die bisher kein Auto haben. Gleichzeitig können sich immer mehr Menschen ein Auto leisten: Bis 2020 werden etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung zur Mittelschicht zählen. Heute sind es 20 Prozent. Unterm Strich dürfte auch deshalb innerhalb der nächsten zehn Jahre die globale Automobilproduktion um rund 50 Prozent zulegen. Auf lange Sicht sind die Schwellenländer die wichtigsten Treiber für dieses Wachstum.