Badhotel Sternhagen: Vom Watt fasziniert

Kartoffeln. Die würden auf diesem Boden gut gedeihen. Weil der kleine Acker gleich hinterm Deich liegt, geben die Gischt bei Sturm und die allgegenwärtigen Aerosole der Nordsee der Kartoffel die besondere, vielleicht einzigartige Note. Wir nehmen das einmal an. Für Jürgen Sternhagen aber war dieser Ort ein besonderer. Der Selfmade-Hotellier hat dort vor nunmehr fast 60 Jahren, auf einem ehemaligen Kartoffelacker, ein Hotel errichtet. In unmittelbarer Nähe zum Deich und in Eigenarbeit. Sternhagen war nämlich Maurer, und Banker, und hat es nach wenigen Jahren geschafft, in Duhnen eines der angesehensten Hotels in Deutschland zu etablieren.
 
Die unmittelbare Lage hinterm Deich, das 5-Sterne-Haus von Cuxhaven-Duhnen liegt direkt am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, ist aber nicht der eigentliche Grund, um als Geheimtipp gehandelt zu werden. Zumindest nicht für Gourmets: Die reisen mitunter aus dem etwa 100 Kilometer südlich gelegenen Bremen an, nur um für einen Abend jene Köstlichkeiten zu genießen, die Marc Rennhack jeden Abend im Sterneck zubereitet. Nicht ohne Grund: Seiner Küche wurden vor vier Jahren zwei Michelin-Sterne verliehen. Wohlverdient, wie die fein dekorierte Gelbschwanzmakrele mit Fenschel, Sake und Zitrone und später am Abend der Steinbutt mit Bohnen, Aal und Speck zeigen.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass es mit Thomas Hildebrand einen weiteren exzellenten Koch gibt, der mit Rennhack die Küche teilt, aber für die Gäste im Restaurant „Schaarhörn“ verantwortlich ist. Und der sein Können am Apfel-Stremellachs, an einer Jakobsmuschel und einer gebratenen Garnele mit Quellersalat demonstriert, die er als Vorspeise serviert. Und natürlich gibt es noch Onno Siemons, seit 40 Jahren Sommelier im berühmten Weinkeller des Badhotels. Damit ist er ebenso einzigartig wie der drei Meter unter dem Meeresspiegel angelegte Weinkeller. Dazu aber später mehr. Die Sonne hat soeben das grau-grau aufgelöst – die Nordsee gibt für ein paar Stunden das Watt frei. Zeit für ein Spaziergang in hohen Gummistiefeln.
So nah am Watt gebaut

An stürmischen Tagen ist das Spektakel inklusive. Dann braust die Nordsee sich auf. Und wer sich dann vor die Tür traut, der kann nachempfinden, wie das Leben hinterm Deich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war.  Das offenbaren die vielen Malereien, die im ganzen Hotel ausgehängt sind und von Johannes Holst wie auch von Ernst Toch stammen, einem engen Freund Sternhagens. Beide Maler haben sich den Wellen, dem Meer und alten Schoner und Dreimastbarken gewidmet. Im Laufe der Zeit fand so eine enorm große Kunstsammlung Einzug ins Badhotel.

Und mit den kleinen und großen Schiffsmodellen, die Sternhagen auch gesammelt hat, um sich damit einen Kindheitstraum zu erfüllen, als er die großen Pötte entlang des Weltschiffahrtswegs vorbeiziehen sah, wirkt ein Spaziergang durchs Haus wie ein Museumsbesuch. Da stellt sich die Frage, ob Jürgen Sternhagen nicht besser Seemann geworden wäre. „Vermutlich schon“, erzählt uns Susan Cantauw, die heute das Haus mit seinen 48 Zimmern und Suiten führt und die den „alten“ Sternhagen noch aus ihrer Zeit kennt, als sie dort als Empfangsdame anfing. Ich trau mich was.
Nationalpark Wattenmeer und Weltnaturerbe

Diesen Schlick kenne ich aus meiner Kindheit, die Wattwürmer und die Miesmuscheln auch, die, durchwatschelt man das Watt barfuß, schmerzen, wenn man drauftritt. Weils Wetter so ist, laufe ich heute mit hohen Gummistiefeln bis ans Wasser. Und das ist weit weg – ist eben Ebbe. Doch die Wattwanderung zahlt sich aus. Die Luft ist salzig und rein und hat eine gesundheitsfördernde Wirkung. Das tut nicht nur jenen gut, die an einer fiesen Bronchitis leiden. Auch die Sehnsucht wird bedient. Greifbar nah ziehen mitunter die weltweit größten Containerschiffe vorbei. Ob nun auf dem Weg in die Elbmündung oder direkt aus dem Hamburger Hafen, die bis zu 400 Meter langen und mit Containern bepackten Schiffe sind faszinierend anzuschauen.

Doch zu lange sollte keiner mitten im Watt verweilen und von fernen Ländern träumen. Mit auflaufendem Wasser steigt nämlich auch die Gefahr, nicht mehr trocken ans Land zu kommen. Wer nun meint, den Sprint bis ans Land vor dem Hochwasser zu schaffen, sei gewarnt. Zwar kommt die Flut schneller als mancher glaubt. Die Gefahr aber sind die Priele, jene Wasserrinnen, die sich zuerst füllen und den Rückweg versperren, weil die gewaltige Strömung alles und jeden ins offene Meer reist. „Jeden Jahr retten wir Hunderte, die den Weg zurück nicht schaffen. Tendenz steigend. Immer mehr geraten in Not“, erzählt uns der Bürgermeister von Duhnen, Ulrich Getsch, und rechnet vor, dass „die Wattrettung jedes Jahr mit 500.000 Euro“ zu Buche schlägt.
Eine Wattrettung kostet 600 Euro

„Viele überschätzen sich“, weiß Getsch. Nach Neuwerk in einer Tide hin und zurück ist für einen sportlichen Wanderer zu schaffen. Aber es wird knapp, die wenigen Kilometer übers Watt zu laufen. Auch deshalb werden die Pferde schon mit Beginn des ablaufenden Wassers vor die Kutschen gespannt und übers Watt getrieben. Eine im Übrigen herrliche Form der Mobilität, sofern genügend warme Decken an Bord sind. Zumindest im Winter, wenn der Wind den Körper um ein vielfaches schneller auskühlt.

Dem blanken Hans muss aber heute keiner mehr zum Opfer fallen. Wer die Regel kennt, das System der Priele beachtet und sich bei Not rechtzeitig in eine der vielen Rettungsbarken rettet, entkommt auch so der Flut. Allerdings können die Stunden in einen dieser etwa drei bis vier Meter hohen Käfige ungemütlich werden. Bei Hochwasser schwappt die Nordsee bedrohlich nah unter einem, und bei stürmischer See bleibt in der Regel nur die Frisur trocken. Dann bleibt nur der Griff zur Signalpistole, die in jeder Barke verfügbar ist. Die Nordfriesen sind dann schnell vor Ort. Die Kosten von annähernd 600 Euro werden dann auch gerne bezahlt.
Thalasso gibt’s nur in Brandungsnähe

Ich sitze bei Ostfriesentee und Apfelstrudel im Panoramarestaurant und blicke auf die Nordsee. Wolken ziehen auf und verdunkeln die Szene. Jetzt nieselt es. Und weil der Wind kräftig bläst, nieselt es von der Seite. Das hat den Vorteil, dass eine Körperseite stets trocken bleibt. Ein Regenschirm hilft übrigens nicht. Die Naturgesetze der nordfriesischen Landschaft sind da unerbittlich und würden jeden herkömmlichen Schirm sozusagen in Windeseile zerstören. An solchen Tagen ist auch das Bad im Meer eine Herausforderung. Auch wenn es von der Nordsee bis zum Hotel nur wenige Schritte sind: Warum nicht ins Nordsee-Thalasso-Spa? Immerhin verfügt das Hotel über eine direkte Meerwasserzuleitung und pumpt frisches – natürlich gefiltertes –  Nordseewasser in die Badelandschaft. Wohltemperiert ist es zudem auch. Und seitdem das Hotel den Saunabereich modernisiert hat, gibt es weiteren Grund, bei schlechtem Wetter im Wellnessbereich zu weilen.

Nur Meerwasser aber genügt nicht, um als originales Thalasso-Therapie-Zentrum gelistet zu werden. So sollte das Haus in der sogenannten Aerosolen Brandungszone des Meeres liegen und es sollten für die Thalasso-Anwendungen werden Meerwasser und reine Meeresprodukte wie Algen, Meeresschlick, Meersalz und andere maritime Aktivstoffe verwendet werden. Auch darum erfüllt das Badhotel Sternhagen die internationalen Qualitätskriterien. Zertifiziert auf dem europäischen Kongress und auf dem Weltkongress für Thalasso-Therapie. Mitglied im Verband Deutscher Thalasso-Zentren.

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