„Es hätte schlimmer kommen können“, rief ich ihm zu. Konrad nickte nur, hievte den Ersatzreifen vom Heck seines Land Rovers und grummelte leise vor sich hin. Dann stapfte er ums Fahrzeug. Dort bemühten sich bereits zwei Mitreisende, den vom messerscharfen Vulkangestein zerschnittenen Reifen zu demontieren. An diesem Morgen eine undankbare Aufgabe, die beide aber mit Hingabe in Angriff nahmen. Obschon mittlerweile vom Regen genauso durchnässt wie der Sand der schmalen Straße am Steilhang des Atlasgebirges im Süden Marokkos, bemühen sich die beiden redlich. Der Reifen muss gewechselt werden.
Es regnet nicht in Strömen, es ist ein Zustand wie in einer Wolke. Überall ist es feucht, es nieselt von allen Seiten. Dass sich die Straße innerhalb weniger Höhenmeter in ein ockerfarbenes Schlammfeld gewandelt hat, ist an Tagen wie diesen, an denen der Luftdruck auf unter 980 Millibar fällt, nichts ungewöhnliches. Die Fahrt über den Pass gelingt dann nur mit einem allradgetriebenen Wagen, mit guten Reifen und einer gehörigen Portion Mut. Natürlich gilt das natürlich nur für Touristen. Einheimische hingegen wagen sich mit Gottvertrauen und einem in die Jahre gekommener Ford Transit über die Passstraße. Maultier geht auch.
Später quert ein reißender Fluß die Straße. Jetzt offenbart sich das Versprechen, die mir Konrad Frobe gegeben hat, als er mich zu dem Abenteuer Marokko eingeladen hat. Mit den Touren, die er für Special Adventure durchführt, kennt er das Land mit allen seinen Herausforderungen. So entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet an diesem Ort der Reifen versagt. Kann passieren. Und wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch beim Fahren abseits der Straße wie auch auf unbefestigten Straßen passieren. Wie sonst lässt sich dieses faszinierende nordafrikanische Land entdecken.
Natürlich durchziehen gut ausgebaute Sraßen das Land. Mit der N1 sogar eine über 2000 Kilometer lange Nationalstraße – von Tanger bis Ad Dakhla. Zwischendurch führen kleinere Regionalstraßen ins Atlasgebirge oder nach Ouarzazate. Dort, wo vor gefühlter „Ewigkeit“ Hollywood den Ursprung der Filmgeschichte entdeckt hat. Das aber ist eine andere Geschichte. Auf dem Weg übers Atlasgebirge hat uns ein Stein, so scharf wie eine Rasierklinge, den Reifen zerschnitten.
Über das Walki Talki sind gutgemeinte Ratschläge zu hören. „Ihr müsst das Fahrzeug vor dem Wegrollen sichern“, knarzt es. Die Stimme der Ellen Lohr ist dennoch gut zu hören. Sie sitzt im Fahrzeug hinter dem Fahrzeug mit der Reifenpanne, geschützt vor dem Regen aber mit bester Aussicht auf das Geschehen. Deutschlands erfolgreiche Motorsportlerin und Rallye Dakar-Spezialistin ist mit uns unterwegs, sie begleitet die Tour. Das vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Zudem lerne ich während der gesamten Marokkoreise viel über das sichere Fahren abseits befestigter Straßen.
Und ich erfahre, dass neben Ersatzreifen, Wasser und Verpflegung, das Funkgerät zum wichtigsten Accessoire einer solchen Reise gehört. Nicht nur jetzt. Die Route, die Konrad für diese Fahrt durch Marokko gewählt hat, bietet genügend Anlass, sich regelmäßig übers Walki Talki auszutauschen. Durch den Funkspruch aber lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Die Reifen hat er bereits mit großen Steinen gesichert. Er ist erfahren im Umgang mit störrischen Fahrzeugen. Dass es nun ausgerechnet ihn triff, eine Reifenpanne am Führungsfahrzeug, am Steuer ein Profi und auf über 1500 Meter, inmitten einer Wolke, ärgert ihn. Wir sehen das entspannt und mutmaßen für kurze Zeit, dass es zum Programm gehört.
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