Norwegen: Mit einem alten Frachter mitten durch die unberührte Natur
Drive&Style war mit einem über hundertjährigen alten Fracht- und Passagierschiff, der D/S Fæmund II, auf dem Femundsee in Norwegen am Rande des Femundsmarka Nationalparks unterwegs und hat sich auf die Spuren eines sanften, nachhaltigen Tourismus begeben.
Die Saison hat gerade erst begonnen. Vor wenigen Tagen hat die D/S Fæmund II ihren Fährbetrieb auf dem Femundsee in Mittelnorwegen seit der Winterpause wieder aufgenommen. In den Sommermonaten bis Anfang September wird sie nun täglich Passagiere zwischen Synnervika und Elgå (bzw. Buvika) über den sich von Nord nach Süd mit rund 60 km erstreckenden See transportieren. Die Takte der Jahreszeiten und die teilweise sprunghaft wechselnden Wetterverhältnisse bestimmen dabei die Fährmöglichkeiten. „Gestern war die See noch spiegelglatt“, berichtet Kapitän Per Erik Husøy, der 2017 das Steuer der D/S Fæmund II übernahm, „heute haben wir hingegen bewegte See“.
Mit einem langgedienten Frachtguttransporter auf See
Gestartet sind wir um 8:15 Uhr am Bahnhof von Røros, der nächstgelegenen Stadt im Norden des Femundsees, um dann mit einem Kleinbus bis nach Synnervika zu gelangen. An dieser kleinen Örtlichkeit begann die Geschichte der Dampfschiffgesellschaft Fæmund 1886, nachdem wenige Jahre zuvor der Bau einer Straße von Røros zum Femundsee in Auftrag gegeben wurde. 1905 stach dann die heutige D/S Fæmund II als Dampfschiff erstmals in See, damals nicht nur für Passagiere, sondern auch für den Vieh-, Fahrzeug- und Frachtguttransport ausgelegt. Heute ist die D/S Fæmund II nur noch ein reines Touristenschiff. Die Dampfmaschinerie wurde 1958 durch einen Dieselmotor ersetzt, doch der Verladekran für den einstigen Stückguttransport gibt dem Stahlschiff immer noch seine prägende Kontur.
Im Femundsmarka Nationalpark
Die D/S Fæmund II macht einen Zwischenstopp in Røa. Ob ein Bedarf zu einem Halt an einem der einzelnen Uferorte am Femundsee auf unserer Fahrt nach Elgå besteht, wird in der Regel per Zeichen an die Schiffscrew von Landseite aus geregelt. Heute warten jedoch bereits ein gutes Dutzend Outdoor-Sportler auf die Ankunft des Passagierschiffes. Sie alle haben im Femundsmarka-Nationalpark abenteuerliche, erlebnisreiche Tage hinter sich und waren auf individuellen Routen inmitten der Wildnis, jenseits jeglicher Zivilisation, unterwegs. Im Gepäck nicht nur Zelte und Proviant zum Campen, sondern auch Trekking-Schuhe, Kletterseile, Angeln, Kanus oder den geliebten Hund. Wer Glück hat, kann in den Hochlagen wilde Rentiere beobachten, ebenso ansässig sind der Braunbär, Luchs, Wolf, Steinadler und andere Vögel. An den Flüssen von Røa und Mugga grast in den Sommermonaten sogar eine kleinere Herde der weltweit fast ausgestorbenen Moschusochsen. Doch Vorsicht! Zu nah darf der Mensch diesen Tieren nicht kommen.
Die Felsenlandschaft mit ihren länglichen Seen und Landzungen, unzähligen kleinen Wasserläufen und vielfältigen Felsformationen entstanden zum Ende der letzten Eiszeit, vor ca. 10.000 Jahren, als das Eis schmolz und eine karge Toteislandschaft hinterließ. Diese sogenannte Rogenmoränen-Landschaft hat sich bis heute kaum verändert. Ihre Flora und Fauna mit biologischer Vielfalt ist einzigartig. Kapitän Per Erik Husøy erzählt uns die alte Sage, dass Gott die Femundsmarka im Zorn erschaffen habe. Doch als dieser dann schließlich sein Werk sah, füllte er die meisten Löcher mit Wasser, um den Schaden zu beheben.
Elgå, ein verstecktes Urlaubsparadies für authentische Reiseerlebnise
Nach drei Stunden Seefahrt erreichen wir zur Mittagszeit das kleine, idyllische Örtchen Elgå mit seinen wenigen Einwohnern. Von hier aus starten viele Touristen ihre mehrtägigen Freizeitaktivitäten in die Femundsmarka, da der Ort an der Ostseite des Femundsees einer der wenigen ist, der direkt mit dem Auto erreicht werden kann.
Wir gehen von Bord und treffen die Eigentümerin des Hotel, Restaurants und Campingplatzes Femund FjellstueTone Eriksen. Sie erzählt, dass Elgå nicht nur im Sommer bei Touristen beliebt ist, sondern ebenso im Winter. „Dann kommen die Gäste sogar aus der Luft angereist“, berichtet sie stolz. Denn in den langen Wintermonaten verwandelt sich der zugefrorene Femundsee zu einer Start- und Landebahn für Kleinflugzeuge. Sicher gelandet, ist es dann Zeit zum Skilaufen, Schneeschuhwandern, Eisangeln auf dem See oder auch für eine Fahrt mit dem Schnee-Scooter.
Wir hingegen sind froh, dass es gerade langsam auf den Sommer zugeht und die Tage hier länger sind. Wer mag kann sich in Elgå im Nationalparkzentrum über Natur und Wandermöglichkeiten im Nationalpark Femundsmarka informieren.
Traditionen in einer historisch geprägten Landschaft
Es ist Zeit, die Rückfahrt nach Synnervika anzutreten. An Bord der D/S Fæmund II genießen wir eine echte norwegische Spekemat mit regional produzierten Wurstwaren, wie Elch- und Schafwurst, aber auch ausgewählten Käsespezialitäten und Flatbrød, einem extrem und knusprigen Brot. Dazu wird ein Bier, das eigens für die D/S Fæmund II von der Røros Bryggeri gebraut wird, ausgeschenkt. Am Nachmittag gib es dann noch von den frisch gebackenen Waffeln aus der kleinen Schiffsküche. Sie werden mit eingekochter Erdbeermarmelade und Vanillecreme gereicht.
Wir gehen noch einmal vom Passagier-Salon an Deck. Unser Blick wandert auf die nur noch leicht bewaldete Westseite des Femundsees. Hier offenbart sich die jahrhundertalte Kulturlandschaft der Røros-Region, die vom Kupfer- und Bergbau geprägt worden ist. Die D/S Fæmund II ist letztlich selbst ein Relikt aus diesen Tagen. Viele Flößer und Köhler waren in den Wäldern ansässig und produzierten riesige Mengen an Holz und Kohle, die in den Bergwerken zum Schmelzen von Erz und zur Veredelung von Kupfer benötigt wurden.
Ein Halt in Femundshytta erzählt von der alten Bergbautradition. Hier in der Siedlung entstand im 18. Jahrhundert sogar ein eigenes Hüttenwerk. Heute ist es eingebettet in das UNESCO-Weltkulturerbe Røros.
Sinnlichkeit für die Seele
In Elgå ist auch der Geschäftsführer der D/S Fæmund II, Jan Aage Røtnes, zugestiegen. Er hat den Fährbetrieb von seinen Vorfahren übernommen, nachdem er Jahre lang weltweit selbst zu See gefahren ist. Heute setzt er sich für einen nachhaltigen, sanften Tourismus in seiner Heimat ein. Seine Großeltern wohnten bereits am Femundsee, in Synnervika. Das Holzhaus, in dem sie damals lebten, existiert immer noch. Jan Aage Røtnes möchte es sanieren und innerhalb der nächsten Jahre zu Ferienunterkünften umbauen lassen. Wer dann hier Gast ist, kann direkt morgens in den Sommermonaten mit der alten, eisernen Lady in See stechen.
Wir hingegen nehmen den Kleinbus nach Røros zurück und lassen die Tageserlebnisse zwischen ausgedehnter Natur und Tradition Revue passieren. Ein wunderbarer Tag zum Abschalten, Auftanken aber auch Eintauchen – in eine vielseitige Naturlandschaft, wie sie tiefgehender und erholsamer nicht sein könnte.
Drive&Style Lesetipps
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Eine Drive&Style-Reiseberichterstattung über Norwegens Weltkulturerbestadt in den Bergen findet sich unter: Røros