Seefahrtsmuseum Marstal: Mit dem Flacheisen gegen das Vergessen

Und überall wilde Gewässer. Im Westen die Nordsee mit ihren hohen Wellen, im Osten der Kattegat, ein eigenwilliges Meeresgebiet. Ganz im Norden Dänemarks, dort wo sich Skagerrak und Kattegat austauschen, ist es an manchen Tagen besonders wild. Dazwischen Dänemark. Besiedelt von kleinen Ferienhäuser, kilometerlangen Stränden und gastfreundlichen Familien. So zeigt sich Dänemark jedem, der seinen ersten Urlaub dort verbringt. Doch auch wenn das Festland im zweiten Familienurlaub bezaubert und auch beim dritten Besuch fasziniert. Manche fahren jahrein, jahraus die selbe Route – the same procedure as every year. Das aber hat das maritime Dänemark nicht verdient.

Die Fähre von Fynshav schaukelt an diesem Tag eher gemächlich über die Ostsee. Es ist eine alte Fähre – vermutlich aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.  Das Ambiente gefällt aber in seiner Einfachheit. Und es bietet einige Möglichkeiten, die Zeit zu verbringen. Wer sich aber schon auf die Suche nach dem maritimen Dänemark begibt, der muss natürlich auf dem Oberdeck dem Wind trotzen. Auch weil in Sichtweite ein alter 2-Mast-Schoner unter vollen Segeln im Südfünischen Inselmeer kreuzt und nahe Ærø den Eindruck vermittelt, im 16-Jahrhundert angekommen zu sein. (BILD Alter Segler).
Marstals maritime Tradition

Der Kurs der Fähre führt nach Søby auf der Insel Ærø, einer alten Seefahrerinsel mit stolzer Seefahrtstradition und eigenwilligen Bewohnern. Die einstigen Jäger und Fischer erkannten schnell, dass die Ostsee und der Handel mit fernen Ländern mehr Reichtum verspricht. Sie bauten also Handelsschiffe – hauptsächlich Frachtsegler – und brachten die dänische Seefahrt zur Blüte.
Weitere faszinierende Bilder von der historischen Werft in Marstal und der dänischen Insel Ærø finden Sie in unserer umfangreichen Datenbank für Reisebilder.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass natürlich auch der Schmuggel lange Zeit die Insulaner ernährte. So mauserte sich vor allem Marstal, die Hafenstadt an der Südostspitze der dänische Insel sehr schnell zum Vorzeigprojekt Dänemarks. Fast ein Jahrhundert, von 1860 bis in die 1920er Jahre, gehörte den Marstaler Reedern der nach Kopenhagen zweitgrößte Schiffsverband der dänischen Handelsflotte.

„Und heute ist es Dänemarks bester Yachthafen“, erzählt uns Erik Kromann. Den 69-Jährigen ehemaligen Seefahrer treffen wir inmitten alter Schoner mit einem Flacheisen in der Hand. Das macht uns neugierig. „Wir sind hier Werft und Museum“, sagt er und sieht mit seinen wilden grauen Haaren aus als käme er grad von Bord eines der Segelschiffe, die im Trockendock liegen und die er mit seinen Mitstreitern restauriert. Dann erzählt er von Seefahrern, die mit Schiffen, die auf dieser Werft gebaut wurden, über alle Weltmeere segelten, dass die Werften früher das Aushängeschild des Königreichs waren, und ja, dass „Ærø auch durch Schmuggel reich wurde“.
Wahre Schätze alter Bootsbautradition

Das aber ist lange her. Geschichte ist allerdings auch die große Seefahrerzeit Marstals, als an den Piers noch beeindruckende Schoner und Segelschiffe lagen und die Matrosen in den umliegenden Spelunken ihre Heuer verjubelten. Nun existieren nur noch zwei Werften, „früher waren es acht“, ergänzt Kromann, der seit über 30 Jahren Direktor des Marstal Maritime Museum ist. Selbstverständlich schmerzt diese Entwicklung. Doch wenn er übers Gelände blickt und die zahlreichen Zeugnisse dänischer Seefahrtsgeschichte betrachtet, dann ist aller Trübsal vorbei.

Immerhin beherbergen die letzten Werftbaubetriebe wahre Schätze maritimer Bootsbautradition. So führt uns Kronmann zur Zar Dragor, einem mächtiger Dreimast-Toppsegelschoner. Das Segelschiff aus dem Jahr 1942 liegt im Trockendock, umringt von einem mehrere Meter hohem Gerüst. Darauf stehen junge Männer, die mit einer bewundernswerten Geduld Hanfstränge zwischen die Holzplanken schlagen, um sie später mit heißem Teer bestreichen. Der Eigner lässt das Schiff hier aus nur einem Grund restaurieren. „Weil wir es am besten können“, erzählt uns Kronmann , „Unsere Schiffbaukultur darf nicht in Vergessenheit geraten“.

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