Elektromobilität und die Angst vor dem Stromausfall

Die Netzbetreiber mahnen gerne – etwa vor einem Blackout bei zu viel regenerativer Energie. Wenn sie nun vor einem Hype der Elektromobilität warnen, dann aus einem guten Grund. Denn die Niederspannungsnetze der Haushalte sind nicht für Lasten ausgelegt, die entstehen, wenn E-Mobile zuhause mit Strom aufgeladen werden. So mahnt auch Dr. Michael Agsten vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Institutsteil Angewandte Systemtechnik AST in Ilmenau: "Ein Fahrzeug benötigt bis zu 22 Kilowatt (kW). Falls mehrere Autos gleichzeitig laden, erreichen aktuelle Netze schnell die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit".

Für Agsten Grund genug, um zusammen mit seinem Team eine Software zu entwickeln, die Netzbetreibern anzeigt, wie viel Ladelast ihr Niederspannungsnetz verträgt. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, wie viele Elektrofahrzeuge angeschlossen werden können, ohne dass Grenzwerte verletzt werden. Betreiber von Stromnetzen können also künftig vorausschauend planen. Die Software soll nämlich Antworten auf folgende Fragen liefern : Wie ändert ein weiteres Fahrzeug die Lastverteilung? Ab welchem Zeitpunkt muss ich in die Netze investieren, um die nötige Netzkapazität bereit zu stellen? Soll ich Geld lieber in neue Kupferleitungen oder besser in intelligente Ladestationen stecken?
Software sagt Netzausfall voraus
Laut den Wissenschaftlern bildet die Software nach, wie viele Ladevorgänge sich realisieren lassen, ohne dass die vorgeschriebenen normativen oder betrieblichen Grenzwerte verletzt werden. In der Regel können etwa 150 und mehr Haushalte von einer Ortsnetzstation versorgt werden. Unter der Annahme, dass ein Teil der Haushalte zukünftig ein E-Mobil besitzen wird und dieses zu einer beliebigen Zeit lädt, entsteht eine unvorstellbar hohe Zahl an Ladeszenarien. Der Grund: Keiner kann zuverlässig vorhersagen, welcher Haushalt zu welchem Zeitpunkt ein Elektrofahrzeug laden wird.

Und Agsten weiß, dass es "unmöglich ist, das in adäquater Zeit auszurechnen. Die Forscher simulierten ihr Modell deshalb mit der sogenannten Monte-Carlo-Methode, einem Verfahren aus der Stochastik. Dabei wird versucht, eine möglichst heterogene Gruppe von Kombinationen zu erzeugen. Wer im Mathe-Leistungskurs aufgepasst hat, erinnert sich, dass deren Anzahl wesentlich kleiner ist, als die Gesamtzahl aller möglichen Kombinationen. "1000 bis 10 000 Fälle lassen sich schneller analysieren und ergeben trotzdem einen sehr guten Näherungswert", sagt Agsten. Innerhalb weniger Sekunden zeigt die Software an, wie hoch das Überlastungsrisiko ist und wie viel E-Mobile in einem Ortsnetz gleichzeitig geladen werden können.

Artikel teilen