Porsche Driving Experience: Kann denn Tempo Sünde sein?

„Ich konnte den Sportwagen meiner Träume nicht finden, also habe ich ihn selbst gebaut.“. Ferdinand Porsche war sein Leben lang pragmatisch. Uns so fahren sich auch jene Modelle, die der Konzern im Angebot hat. Darunter der 918 Spyder. Wer mit ihm mitfährt, dem bleibt kaum Zeit zum Atmen. Die zweieinhalb Sekunden bis zur 100 km/h-Marke erfordern höchste Konzentration.

Erst beim zweiten Anfahren erleben wir bewusst die enorme Beschleunigungskraft des Porsche 918 Spyder. Weil der Eine-Millionen-Euro-Sportwagen aber auf den ersten Kilometern auch mit elektrischer Energie angetrieben wird, potenziert sich das Beschleunigungsgefühl. Nach der zweiten, dritten, vierten Runde frage ich mutig, ob ich den Wagen jetzt auch selbst fahren darf. Immerhin bin ich hier zur Porsche Experience auf dem Aldenhoven Testing Center, nahe Aachen. Und es ist das 40-jährige Jubiläum der wohl sportlichsten Fahrschule für sportliche Fahrer.

Zurück zur Frage: „Sicher“, antwortet mir der Instrukteur und lächelt. Ich verstehe.“ Frag´ nicht nach, sondern nimm auf dem Beifahrerplatz platz“, denke ich, meint er. Recht hat er. Denn ein Blick in das Datenblatt offenbart: 887 PS in Summe leisten die drei Motoren. Zu viel für Ungeübte. Vor allem die wohl derzeit komplexeste Kombination von klassischem Verbrennungsmotor und Elektroantrieb verlangt vom Fahrzeugführer eine Menge Know-how. Während ein V8-Hochdrehzahl-Mittelmotor mit einem Hubraum von 4593 cm³ und 608 PS auf seinen Einsatz wartet, bringen die beiden permanenterregten Elektromotoren, einer vorn, einer hinten, den Wagen lautlos voran. Erst ab einer Geschwindigkeit von 150 km/h oder aber wenn der Fahrer einen kleinen, futuristisch wirkenden Schalter umlegt, kündigt sich mit einem lauten Grollen die verbrennungsmotorische Antriebskraft an.
Die kostbarsten Sportwagen fürs Fahrtraining
Diese Kombination genügt, um den Wagen in 2,5 Sekunden auf über 100 km/h zu beschleunigen und ihn kurze Augenblicke später auf maximale 345 km/h zu katapultieren – samt Beifahrer. Das Vertrauen in die Technik, vor allem aber in das Können des Fahrers muss also stimmen.

Um diese Fähigkeiten sozusagen mit dem Kauf eines Sportwagens mit zu erwerben, bietet seit 1974 die Sport Driving School Schulungen an, um jene Fertigkeiten zu erlernen, um die Kraft PS-starker Sportfahrzeuge beherrschen zu können. Von denen hat der Zuffenhausener Sportwagenhersteller im Übrigen zahlreiche Modelle gebaut. So gibt es mittlerweile 15 Varianten des 911 mit Heckmotor, drei Boxster mit Mittelmotor-Anordnung und drei Porsche Cayman. Einige von ihnen werde ich gleich über den Parcours lenken. Nicht mit Höchstgeschwindigkeit, sondern so schnell, dass die Prinzipien der Fahrdynamik zumindest an diesem Tag ins Blut übergehen.

Und dazu fordert der Fahrtrainer zum verdammt schnellen Fahren auf. Immerhin lautet die Formel für die Fahrdynamik, Fahrverhalten plus Agilität plus Stabilität (vermutlich) im Quadrat der Geschwindigkeit. „Gute Fahrdynamik bedeutet, dass das Fahrzeug auf die Befehle des Fahrers spontan und direkt reagiert“, erklärt Eberhard Armbrust, Leiter Fahrdynamik Porsche. Fehlt es einem Fahrzeug also an Fahrdynamik, wirft einem die Physik beim ersten schnellen Lastwechsel aus der Bahn.
Ein Mittelmotor-Sportwagen ist ein guter Sportwagen

Die mathematischen Grundlagen bleiben mir beim Fahrtraining erspart. Sie täten auch nicht zur Sache. Wichtig sind Bremspunkt, Einlenkpunkt, Ideallinie und so weiter und so fort. Wichtig ist auch die Erfahrung Mittelmotorkonzept. Dazu erklärt mir Joachim Meyer, Projektleiter Fahrwerk Baureihe Boxster/Cayman: „Das Mittelmotorkonzept bietet die ideale Voraussetzungen für einen Sportwagen. Der Massenschwerpunkt liegt nahezu in der Fahrzeugmitte, das heißt an der Hochachse“. Das wiederum bedeutet ein sehr geringes Massenträgheitsmoment. Und das sind ideale Voraussetzungen  für eine gute Achslastverteilung, und damit für eine gute Fahrwerkabstimmung.

Auf dem Testgelände fahre ich nacheinander 911, Boxster, Cayman. Immer nach Vorgabe und mit unterschiedlicher Aufgabenstellung. Während der 800 m lange Handlingkurs vor jeder Kurve Können erfordert, um dem Instrukteur zu folgen, sind auf der Fahrdynamikfläche Geschick und Reaktion von Vorteil. Nur dann bleiben die Pylonen stehen und die Zurechtweisungen über das Walkie-Talkie bleiben aus. Die letzte Station ist die Bremsenstrecke, auf der mit maximaler Kraft die Qualität der Bremsen und die Spurstabilität des Sportwagens geprüft wird. Dort aber verrät der Fahrdynamik-Spezialist Armbrust auch das Geheimnis maximaler Beschleunigung.
Kalkulieren am Limit

„Halten Sie die Bremse fest gedrückt, und geben währenddessen Vollgas“, erklärt er. Und während wir dem GT3 die „Sporen“ geben, erscheint im Display der Schriftzug Launch Control. Nun, ich löse die Bremse und werde umgehend in den Sitz gedrückt. „Die Launch Control ist eine Form der Traktionskontrolle, die dazu dient, ein Fahrzeug mit automatisiertem Schaltgetriebe optimal auf die Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen“, erklärt Wikipedia. Die Schaltautomatik wird dazu so gesteuert, dass beim Anfahren diejenige Drehzahl anliegt, die das Fahrzeug ohne durchdrehende Räder aus dem Stand am besten beschleunigt.

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