Glampen: Schöner Campen

Der Gardasee: Wie eine Perlenkette umrahmen Weingärten und uralte Dörfer den größten See Italiens. Beim Anblick von Dattelpalmen, Zitronenbäumchen und Oleander vergisst man sofort den Alltag. Unter schattigen Olivenbäumen mit Blick auf den weiten Lago will ich nun „glampen“. Denn ein wenig Luxus muss sein in einem Land, in dem die meisten Menschen so blendend wie Schauspieler aussehen und viele Wohnungen und Geschäfte wie das Abbild eines Lifestyle-Magazins. „Glamping“, die Luxus-Variante des guten alten Zeltens, könnte hier erfunden worden sein, doch der Trend kommt wie so oft aus den USA.

Mein Ziel ist das Südwestufer des Gardasees. Zunächst geht es ab Riva del Garda in der kurvigen Tunnelgalerie „Gardesana Occidentale" bis nach Gargnano und von da aus in den Süden nach San Felice del Benaco. Das 3000-Seelen-Dörfchen verkörpert mit seinen alten Gassen und einer romantisch überwucherten Festungsruine im hügeligen Weinanbaugebiet Valtenesi das romantische, ursprüngliche Italien. Das suche ich! Ein höher gelegener Zeltplatz in San Felice del Benaco ist schon reserviert. Er verspricht eine herrliche Aussicht auf die Bucht von Salò.

Übrigens, die Stadt Salò mit ihren rund 10.000 Einwohnern ist ein Besuch wert. Sie liegt am Westufer des Gardasees und überrascht Besucher mit ihrer üppigen Jugendstilarchitektur und einem mittelmeerähnlichen Flair. Für mich ist das Städtchen Ausgangspunkt zum Baden, Schlendern, Bummeln und Einkaufen. Außerdem sind von da aus rasch die Buchten um Porto San Felice, Porto Portese und die Landzunge San Fermo zu erreichen oder die Fähre ab Toscolano-Maderno zum Ostufer. Diese touristische Vielfalt und ein Angebot aus dem Internet lockten mich, genau hier etwas Neues auszuprobieren. Das „Glampen“ bedeutet für mich konkret, mit wenig Gewicht und organisatorischem Aufwand im Ausland zu zelten. Es hat noch mehr Vorteile: Kein Suchen mehr nach Münzen für die Campingplatz-Gemeinschaftsdusche. Kein Fluchen über verlorene Heringe. Kein mögliches Leck in der Luftmatratze und der nächtliche Weg mit Taschenlampe zum WC ist auch Vergangenheit.

Kein Widerspruch: Luxus und Campen

Unter europäischen Campingplatz-Anbietern gibt es bereits eine erste Definition, was zum Mindeststandard des „glamourösen Campings“ gehört: ein eigenes Bad, eine eigene Küche, ein Doppelbett und ein solider Holzboden im Zelt. Alles bei Ankunft schon fix und fertig aufgebaut. Diese Details runden das Freiheitserlebnis bei Mutter nobel ab. Das eigene Zelt darf also im Keller bleiben. Diese Luxus-Logdes à la „Jenseits von Afrika“ kommen bei Touristen in Europa gut an. In immer mehr Ländern wie etwa Italien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Deutschland vermarkten Campingplatzbesitzer bereits ihre Luxuszelte.

Laut einer Studie des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ) wird Glamping in den nächsten Jahren zu den 100 Schlüsseltrends für Wirtschaft und Gesellschaft gehören. Denn immer mehr Menschen suchen das Einfache, Natürliche und Ursprüngliche, ohne Verzicht auf Komfort und Genuss: ganz gleich, ob auf Gesundheit und Nachhaltigkeit fokussierte Eltern zwischen 35 und 50 Jahren oder die so genannten Best Ager. Auch ich werde wohl zu den neuen Gästetypen gehören, auf die die Campingwirtschaft in Zukunft setzt: Eine Urlauberin, die so gut wie nie campt, aber mit ein wenig Luxus in unberührter Natur zu locken ist.

„Glamping“ – der Zukunftstrend

Zugegeben, für eingefleischte Camper, die ihre Heringe noch selbst in die Erde schlagen wollen, hat „Glamping“ nichts mit „echtem“ Zelturlaub zu tun. Außerdem kostet ein solcher Rundum-Komfort einiges. In der Hochsaison zahlt man für ein Glampingzelt, je nach Region, im Schnitt bis zu 210 Euro am Tag. Trotzdem: das Interesse ist groß, zumal die Preise in der Nebensaison wie etwa in den Pfingstferien noch moderat sind. Ab 49 Euro am Tag ist dann ein Luxus-Lodge-Zelt zu haben. Klaus Schneider vom Glamping-Marktführer Selectcamp (Vacanceselect-Gruppe) aus Hamburg bestätigt den Trend: „In 2012 haben wir mit unseren Glamping-Angeboten rund 15.000 Übernachtungen erzielt, 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Für 2013 erwarten wir hier nochmals eine deutliche Steigerung.“ Wie von ihm zu erfahren ist: über 80 Prozent seiner Gäste kommen aus Deutschlands Süden, vorwiegend aus Baden-Württemberg und Bayern. So, wie ich.

Am ruhigen Campingplatz (Camping Village Weekend) in San Felice del Benaco, sehe ich reichlich Platz für Wohnwagen und Zelte. Das „klassische“ Campen stirbt also nicht aus, wie der Anblick von etwa 295 Stellplätzen verrät. Als ich von einer freundlichen Angestellten zu meinen Stoffdomizil geführt werde, bleibt mir fast die Spucke weg: Mein Zelt, ein beduinenartiger Palazzo, bietet Platz für eine vierköpfige Familie. Inmitten thront eine Wanne, die mit ihren silbrigen Löwenpfoten ohne weiteres in einem viktorianischen Nobel-Hotel stehen könnte. Ankommend bei heißer Temperatur ist ein kühles Schaumbad nun gerade recht. Anschließend döse ich ein wenig im Kingsize-Himmelbett. Eine sanfte Brise streicht übers Zelt. Vor meinem netzverhangenen Fenster höre die Blätter der Ölbäume rascheln. Olivenblättchen fallen auf das Dach. Wunderbar!

Nach kurzer Erholung besuchen mich Udo und Andrea. Es gibt frische Pasta, die sie in der voll ausgestatteten Zeltküche zauberten. Zum Essen auf der Terrasse vor dem Zelt genießt jeder von uns ein Glas kräftigen Bardolino. Unser Blick schweift in der Abenddämmerung auf den silbrig glitzernden Gardasee. Fast geniere ich mich ein wenig für so viel „Glamour“, aber ich gebe es zu: Es ist herrlich. Ich fühle mich wie im siebten Himmel. Home, sweet new home!

In den nächsten Tagen stelle ich fest, Komfort und Campen müssen kein Widerspruch sein. Der Blick von meiner Terrasse aus 60 Metern Höhe auf die Bucht von Salò ist ein Traum. Ich wache mitten in der Natur auf, veranstalte Barbeques mit netten, neuen Bekannten. Ich höre die Kinder der Zelt-Nachbarn fröhlich spielen und sitze in netter Gesellschaft bei Kerzenschein unterm Sternenhimmel. Wie kann das Leben doch so schön sein!

Der Gardasee lockt mit viel Kultur und Natur

An Kultur, Wochenmärkten und Freizeitangebot mangelt es am Gardasee nicht. Um den Charme des benachbarten Hafenstädtchens Salò näher zu erfahren, kann sich, wer will, ein Auto leihen. Oder an der Uferpromenade in ein Touristen-Boot steigen. Es bringt die Gäste zur „Isola del Garda“, der größten Insel im Gardasee. Einst lebte Franz von Assisi hier. Seit dem letzten Jahrhundert ist die ein Kilometer lange Insel im Besitz der dynastischen Familie Borghese. Der Duft ihres üppigen, großen Gartens, eine Art Landschaftspark, betört. Auch wenn er nur nach Voranmeldung besichtigt werden kann und keiner bei dieser Stippvisite den Palazzo betreten darf, trübt das meine Freude am mediterranen Flair nicht.

Von Maderno aus, das auf halben Weg zwischen Desenzano und Riva liegt, bringt eine Fähre Touristen wie Einheimische mehrmals am Tag in einer einstündigen Fahrt zu den Nachbargemeinden am Ostufer. Die Anlaufstelle füs Boot ist Torri del Benaco. Von da lohnt sich: eine Verkostung bei Weinbauern in Bardolino, ein Spaziergang an der Uferpromenade von Brenzone mitsamt Kauf des dort typischen, herben Olivenöls, ein Kastanienessen im urigen Bergdorf San Zeno di Montagna oder der Besuch des frühsommerlichen Gourmet-Street-Festivals „Fish & Chef“ in Malcesine. Dort, wie an vielen Orten des Gardasees auch, werden in den warmen Monaten des Jahres regelmäßig Feuerwerke und kostenfreie Freiluftkonzerte angeboten.

Mein Trip nach San Felice del Benaco zeigt, dass ich dabei bin, von einem Camping-Muffel zu einem Glamping-Fan zu mutieren. Nicht nur für mich steht fest: Kultur und Natur, das muss in Bella Italia kein Widerspruch sein. Wer außerdem dem Abenteuer des Zeltaufbaus entwachsen ist und die unmittelbare Nähe zur Natur sucht, für den ist Glamping eine gute Alternative zum Hotelaufenthalt. Der Gardasee macht es einem leicht, diese neue Art von Urlaub zu lieben. San Felice, a presto, wir sehen uns wieder!

Kornelia Doren

INFORMATIONEN:

Fremdenverkehrsämter:

– Salò: Tel. +39-0365-21423
– Toscolano-Maderno: Tel. +39 0365 546083
– Torri del Benaco: Tel. +39 045 7225120
– Brenzone und San Zeno di Montagna: Tel. +39 045 7420076
– Malcesine: Tel. +39 045 7400044

Glamping und Camping am Gardasee:

Klaus Schneider und Thomas Reimann
Vacanceselect Reisen GmbH
Mörkenstr. 41
D-22767 Hamburg
Telefon: 0049-40-41 62 68 0
www.vacanceselect.de

**** Camping Village Weekend
25010 San Felice Del Benaco
www.weekend.it/de

Literatur zum Thema:

Eberhard Fohrer: „Reiseführer Gardasee“
324 Seiten, 17,90 EUR
Michael Müller Verlag
ISBN 978-3-89953-776-5
7. Auflage 2013

Artikel teilen