Erst vor wenigen Tagen hat sich in Deutschland der Sommer verabschiedet, doch schon bereiten sich die ersten Kfz-Werkstätten auf das Winterreifengeschäft vor. Mit dem frühen Start reagieren die Betriebe auf den Trend, dass Kunden immer länger mit Winterreifen fahren. Dabei kurbeln nicht nur neue Verordnungen und Regeln den Markt in diesem Jahr an. Wegen der hohen Kraftstoffpreise in diesem Frühjahr haben viele Autofahrer den Kauf neuer Sommerreifen hinausgeschoben und damit die Winterreifen abgefahren. Die Reifenhersteller erwarten aus diesem Grund heuer einen Run auf neue Winterpneus. Michelin glaubt sogar an eine der höchsten Umrüstquoten seit Jahren. Bereits heute verkaufen die Franzosen mehr Winter- als Sommerreifen.
Aber trotz der hohen Nachfrage, Lieferengpässe werden nicht erwartet. Seit Monaten läuft die Produktion für Winterreifen auf Hochtouren. Dennoch empfehlen die Reifenhersteller, sich schon jetzt um einen Termin für den Reifenwechsel zu bemühen. „Nur so lassen sich lange Wartezeiten vermeiden. Denn beim ersten Schnee werden wieder alle zur Werkstatt fahren“, sagt Klaus Engelhardt von Continental. Weil der Gesetzgeber eine für die Jahreszeit angemessene Bereifung verlangt, kann die Fahrt zur Werkstatt auf schneebedeckter Fahrbahn bereits mit einer Geldbuße geahndet werden. Darüber hinaus weisen Winterreifen wegen ihrer weicheren Gummimischung bei kalten Temperaturen wesentlich bessere Fahreigenschaften auf. Als Faustregel gilt: Winterreifen sollten bereits bei unter 7 Grad Celsius aufgezogen werden.
Der richtige Winterreifen
Für diesen Winter haben alle großen Hersteller neue Modelle entwickelt, die noch besser für das Fahren auf Eis und Schnee geeignet sind. (Siehe Kasten). Neben der Profilmechanik – Continental etwa hat auf seinem neuen WinterContiContact TS850 mehr Profilblöcke auf den Umfang verteilt als bisher und damit mehr Kanten geschaffen, die auf glattem Untergrund besser Verzahnen – setzen die Hersteller auch auf neue Mischungen wie funktionale Polymere. Damit kommen insbesondere Fahrer von SUV sicherer über verschneite Bergstraßen. Nahezu allen Herstellern gelang es, neben dem Handling auch das Bremsen auf glatter Fahrbahn zu verbessern. Im Durchschnitt bleiben die Fahrzeuge auf schneebedeckter Straße mit den neuen Reifenmischungen etwa drei Meter eher stehen.
Ein weiterer Trend, über den sich ganz besonders die Halter schneller Autos freuen: Die Winterreifen können oftmals bis zur maximalen Geschwindigkeit ausgefahren werden. Die Geschwindigkeitsfreigabe etwa für den neuen Michelin Pilot Alpin PA4 reicht bis zu 270 km/h (Geschwindigkeitsindex H, V und W). Hochperformancereifen liegen damit in diesem Jahr im Trend. Und der Kunde ist auch bereit, die höheren Preise dafür zu zahlen, die etwa auf Vorjahresniveau liegen. Kaum einer greift noch zum Low-Budget-Reifen, berichten die großen Reifenhersteller.
Das neue Reifenlabel – verwirrend und gefährlich
Dennoch blicken sie mit Sorge auf die bevorstehende Saison und zeigen auf das seit dem 1. November verpflichtende Reifenlabel. Reifen, die ab Juli 2012 produziert werden, müssen damit versehen sein. Es kennzeichnet die drei Eigenschaften Rollwiderstand, Nassbremssverhalten und Geräuschentwicklung, und soll dem Kunden einen Orientierung geben. Ärgerlich nur, dass die Wintereigenschaften darin nicht abgebildet werden. Schlimmer noch: Wer glaubt, mit einer guten Nasshaftung auch auf Schnee sicher Bremsen zu können, irrt. So mancher Anbieter fürchtet, dass der Kunde sich vom A/A-Label verleiten lässt.
Wie irreführend die Kennzeichnung ist, zeigt der Umstand, dass einzig Billigreifen derzeit die beste, nämlich die B/B-Kennzeichnung tragen. Viele dieser Reifen fallen allerdings bei den großen Fahrttests durch, die der ADAC wie auch die GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung zusammen mit dem ACE Auto Club Europa jedes Jahr durchführen. Eines aber hat das neue Reifenlabel schon bewirkt. Der Schulungsaufwand für die Händler ist enorm gestiegen. Eine Beratung beim Reifenhändler sollte aus diesem Grund auf jeden Fall stattfinden.