Tiefentladen: Elektromobilität aus Deutschland

Erstellt von Andreas Burkert | |   E-Ticker

Der Elektromobilität in Deutschland fehlt der Mindset. Man/Frau traut sich nicht, ein Elektroautomobil zu kaufen. Das bringt die Deutsche Autobranche in Bedrängnis. Das Bestreben, zum Leitmarkt der E-Mobilität aufzusteigen, stockt.

Provokant eröffnet der Volkswirtschaftler Thomas Puls die Meldung zur aktuellen Lage der deutschen Automobilindustrie beim Thema Elektromobilität. Vor dem Hintergrund einer offenbaren Verweigerungshaltung deutscher AutomobilfahrerInnen, die nur zögerlich zum Elektroauto greifen, fragt er, ob „die deutsche Autoindustrie das Elektroauto verpennt hat?“. Puls ist Senior Economist des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und hat sich die Absatzzahlen der Automobilbranche des vergangenen Jahres angeschaut: „Zwar sind E-Autos in Deutschland noch immer Ladenhüter, auf dem Weltmarkt mischen die deutschen Hersteller jedoch kräftig mit und erreichen einen fast so hohen Marktanteil wie bei den konventionellen Pkws“, lässt er mitteilen.

Zudem hält er die Zielsetzung ambitioniert, mit der die Nationale Plattform Elektromobilität, ein 2010 gegründetes Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung, das Ziel ausgerufen hat, dass Deutschland bis 2020 zum Leitmarkt, also zum weltweit standardsetzenden Absatzmarkt, und zum Leitanbieter für Elektroautos – batterieelektrische (BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV) – werden sollte.

Deutschland ist kein Leitmarkt für Elektromobilität

„Das Leitmarktziel wirkt inzwischen illusorisch. Auch wenn der Absatz von BEV und PHEV im ersten Halbjahr 2017 deutlich angezogen hat, wurden Elektroautos hierzulande zu lange von den Autokäufern verschmäht, um diesen Anspruch noch ernsthaft erheben zu können“. So wurden im ersten Halbjahr 2017 in Deutschland 22.025 Elektroautos verkauft, fast so viele wie im ganzen Jahr 2016 – aber auch etwa 5000 weniger als im kleinen Norwegen.

Der weitaus größte Absatzmarkt für E-Autos ist China, aber ist das Land auch der Leitmarkt? Fakt ist, dass dort fast nur heimische Modelle verkauft werden, die aber so gut wie nie exportiert werden. Unter den zehn Topsellern findet sich kein ausländisches Fahrzeug. Ein ähnliches Bild bietet der US-Markt, wo mit Tesla und General Motors ebenfalls heimische Anbieter dominieren. In Norwegen dagegen, dem drittgrößten Markt für Elektroautos, sind gleich sechs deutsche Modelle unter den Top Ten.

Chancen auf den Titel Leitanbieter der Elektromobilität

Im Jahr 2016 kamen 19 Prozent der rund um den Globus verkauften Elektroautos von deutschen Herstellern. Bei den konventionellen Pkws betrug ihr Marktanteil etwa 23 Prozent. Für Puls zeigen die Absatzzahlen, dass „die deutschen Hersteller das Elektroauto zwar keineswegs verpennt haben – aber sie sind auch nicht die Leitanbieter“. Weltmarktführer ist im Übrigen die Ende 2016 besiegelte Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz, die 2017 bislang auf einen Marktanteil von 14 Prozent kam. Es folgen Tesla mit 10 Prozent und BMW mit 9 Prozent. Allerdings verschieben sich die Marktanteile durch neue Modelle stark, wie der Toyota Prius PHV zeigt: Das Modell hat den japanischen Hersteller in die Top Ten des ersten Halbjahres 2017 befördert.

Nun schließt Puls daraus, dass „das deutsche Ziel des Leitanbieters noch deutlich realistischer erscheint als das des Leitmarkts“. Doch wirft er rein elektrisch angetriebene Automobile mit jenen in einen Topf, die nur über einen zusätzlichen Elektromotor (Hybrid) verfügen und damit kaum weiter als 50 km rein elektrisch fahren. Dabei von einem Elektroautomobil zu sprechen ist genau so falsch, wie von einem Gravitationsantrieb zu reden, nur weil das Auto ohne Motor den Berg runter rollt.

Mehr Leid als Leitmarkt. Elektromobilität in Deutschland.
Mehr Leid als Leitmarkt. Elektromobilität in Deutschland. (c) Andreas Burkert